Auf ein Wort, Herr Präsident Dr. Wessels!

Herr Dr. Wessels, Sie sind seit Mitte September 2018 neuer Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch zu diesem sicher spannenden Amt. Gab es in der Vergangenheit einen bestimmten Moment, in dem Sie wussten, dieses Amt bekleiden zu wollen?

Zunächst danke ich für die Glückwünsche und freue mich auch auf die weitere Zusammenarbeit mit Herrn Präsidenten Then im Präsidium der BRAK.

Der Wechsel in der Präsidentschaft während der laufenden Amtszeit meines verehrten Vorgängers war nicht vorherzusehen und ist für die BRAK auch einmalig. Natürlich gab es keinen „Plan“, Präsident zu werden. Auslöser war die Rücktrittsankündigung und -erklärung von Ekkehart Schäfer. Auf der Grundlage eines großen Vertrauensvorschusses der Präsidentinnen und Präsidenten, für den ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken möchte, habe ich mich dann zu der Kandidatur entschlossen. Dies ist auch in dem Bewusstsein erfolgt, dass die Zusammenarbeit im Präsidium und mit der hauptamtlichen Geschäftsführung sehr effizient verläuft und ich fest davon ausgehe, zusammen mit der Präsidentenkonferenz positive Akzente für die Anwaltschaft setzen zu können.

Was bedeutet es für Sie, an der „Spitze der BRAK“ zu sein? Welche Verantwortung und Herausforderungen gehen mit dieser Position einher?

Es ist natürlich eine große Ehre, vor allem aber auch eine Herausforderung, die Geschicke der BRAK zu leiten. Die Herausforderungen gerade durch „Angriffe“ auf die besondere Stellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege und der sog. „core values“ sind groß. Hinzu kommt, dass nach Umfragen die Bevölkerung den Rechtsstaat mit seinen Instrumenten der Rechtsverfolgung und -durchsetzung durchaus kritisch sieht. Meines Erachtens ist es daher eine wichtige Aufgabe, die rechtsstaatlichen Strukturen zu stärken und die Anwaltschaft als berufenen Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten im Bewusstsein der Bevölkerung zu halten. Es gilt, den Zugang zum Recht zu sichern, zugleich die Bedeutung der rechtsstaatlichen
Strukturen transparent zu machen und das rechtsstaatliche Bewusstsein dadurch zu stärken. Dies bedeutet gleichzeitig, unseren wunderbaren Beruf für die Zukunft „fit“ zu machen.

Apropos Herausforderung – ein großes Thema, das Sie von Beginn Ihres Amtes an begleitet hat, ist die Wiederinbetriebnahme des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs. Ein langer Weg, der mit der Freischaltung des Postfachs im September offenbar sein Ende gefunden hat.
Also Ende gut, alles gut?

Digitalisierung, Legal Tech, elektronischer Rechtsverkehr und damit auch das beA sind und bleiben eine ständige Herausforderung. Die Inbetriebnahme des beA kann nur ein erster Schritt sein. Notwendig ist eine kontinuierliche Überprüfung und Weiterentwicklung, damit sich die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs für die Kollegenschaft auch realisieren.

Grund für die Diskussionen rund ums beA waren die sicherheitstechnischen Mängel und Risiken, insbesondere im Hinblick auf die beA Client Security und das Thema Verschlüsselung. Trotz der – zum Teil behobenen, zum Teil noch zu behebenden – Sicherheitslücken, haben die Entwicklungen der letzten Monate Spuren in der Anwaltschaft hinterlassen. Wie geht die BRAK mit der nach wie vor bestehenden Unsicherheit vieler Anwälte um? Und worauf kommt es hierbei Ihrer Meinung nach besonders an?

Die Schwierigkeiten, die mit der Entwicklung und Einführung neuer IT-Produkte verbunden sind, haben sich auch für die BRAK in Bezug auf das beA eingestellt. Ich bin überzeugt, dass alle Beteiligten daraus die Erkenntnis gewonnen haben, dass es sich um einen immer wieder neu zu überprüfenden, fortlaufenden Prozess handelt, Transparenz, Selbstkritik, aber auch gegenseitige Fairness in der sachlichen Auseinandersetzung zwingende Bestandteile einer erfolgreichen Weiterentwicklung und Akzeptanz sind.

 Bei welchen Aspekten sehen Sie in der Rechtsanwaltschaft darüber hinaus Handlungsbedarf?

Handlungsbedarf besteht bei der bereits angestoßenen Diskussion über das anwaltliche Gesellschaftsrecht, Fremdkapital und sozietätsfähige Berufe. Wir müssen allerdings auch dafür Sorge tragen, dass keine übermäßigen Regulierungen – Datenschutz, Geldwäschekontrolle – die Berufsausübung in ihrem Kern unnötig behindern und bürokratische Hemmnisse aufgebaut werden, die den berechtigten Zielen der Regelung nicht gerecht werden.

Nicht vergessen dürfen wir die internationalen Beziehungen, die nach meiner Einschätzung wichtiger denn je sind. Wir leben nicht in einer „abgeschotteten“ Welt, sondern wissen, dass Recht keine Grenzen kennt und wir in vielen Beziehungen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu unseren Nachbarstaaten und der Weltgemeinschaft stehen. Es gilt daher auch im internationalen Bereich einen Beitrag zu leisten, für die Wahrung und Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen im Zusammenhang mit anwaltlicher Tätigkeit. Nur das kann nach meinem Verständnis die Grundlage für persönliche Freiheit, Menschenrechte, friedliche Entwicklungen und damit auch wirtschaftliche Prosperität sein.

Für was setzen Sie sich – unabhängig von Ihrem Amt als BRAK-Präsident – persönlich ein?

Lassen Sie es mich so sagen: Durch ehrenamtliches Engagement, das nicht die Einzelinteressen im Fokus hat, kann es gelingen, eine positive Wertegemeinschaft zu erhalten und den für uns alle wichtigen Generationenvertrag nachhaltig zu stärken. Es gilt: „steter Tropfen höhlt den Stein“.

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