Ende Juli 2021, das politische Brüssel hatte sich bereits in die alljährliche Sommerpause verabschiedet, ließ die Generaldirektion FISMA der Europäischen Kommission noch eine Bombe platzen. Sie veröffentlichte ihr berühmt-berüchtigtes Geldwäschepaket.
Zugegebenermaßen – spätestens seit dem im Vorjahr veröffentlichten Paket aus Berichten über diverse Finanzskandale und ihrer Vorbereitungskonsultation war klar, dass weitreichende Einschnitte in die anwaltliche Selbstverwaltung drohten. Und so kam es dann auch. Noch ist das letzte Wort im Gesetzgebungsverfahren aber nicht gesprochen, und auf mancher Etappe konnten die rechtsstaatlichen Forderungen der Anwaltschaft bereits Erfolge verbuchen.
1. Von der Kommission vorgesehene neue Aufsichtsstruktur
Zunächst zum Geldwäschepaket: Neben einer Änderung der Geldtransferverordnung enthielt es einen Vorschlag für eine neue 6. Geldwäscherichtlinie, einen Verordnungsvorschlag, in den Teile der alten Richtlinie überführt werden sollten und – auf den ersten Blick wahrscheinlich am schwerwiegendsten – einen Verordnungsvorschlag über eine neue EU-Aufsichtsbehörde, die AMLA.
1.1 AMLA
Die AMLA ist Kernstücke des von der Kommission vorgesehenen neuen einheitlichen EU-Regulierungsrahmens. Die Kommission beklagt seit Langem einen zersplitterten Geldwäscheregulierungsrahmen aufgrund unterschiedlicher Umsetzung der Richtlinien in den Mitgliedsstaaten und eine höchst unterschiedlich intensive Aufsichtstätigkeit durch zu viele unterschiedliche Akteure, die nicht hinreichend zusammenarbeiteten. Darunter leide die Effektivität der Geldwäschebekämpfung in der EU. Die neue Behörde soll unmittelbar die Aufsicht über bestimmte Akteure des Finanzsektors führen. Dazu kommen weitreichende Befugnisse innerhalb des Finanzsektors und schließlich eine indirekte Aufsichtsbefugnis über den Nichtfinanzsektor.
In Art. 31 AMLA-VO-Entwurf ist zur Stärkung der Konsistenz und Effektivität der Aufsichtstätigkeit zum einen ein sog. Peer-Review-Mechanismus vorgesehen. Dieser soll unter Einbeziehung von Beamten der AMLA durchgeführt werden, was über eine peer review im eigentlichen Sinne hinausginge. Bedenken bestehen erst recht gegen das Verfahren gemäß Art. 32 AMLA-VO-Entwurf. Danach soll die AMLA untersuchen, ob eine Aufsichtsbehörde EU- oder nationales Recht nicht oder falsch angewandt hat. Werden Mängel festgestellt, so beginnt ein mehrstufiges Verfahren, das zu verbindlichen Vorgaben der AMLA gegenüber der Selbstverwaltung führen kann. Im Ergebnis bedeutet dies eine Fachaufsicht über die Rechtsanwaltskammern als für die Aufsicht Zuständige und liefe damit auf eine nicht hinnehmbare Durchbrechung des Prinzips der Selbstverwaltung zulasten der anwaltlichen Verschwiegenheit hinaus. Zu befürchten ist ferner, dass die AMLA faktisch zur direkten Aufsichtsbehörde auch im Nichtfinanzsektor wird, wenn es zu ihren Aufgaben gehört, Untersuchungen durchzuführen und gegen die Aufsichtsbehörden einzuschreiten.
1.2 Neue nationale Behörde
Ansprechpartner der AMLA in den Mitgliedstaaten sollen neue nationale Aufsichtsbehörden werden. Die neue Behörde soll dafür zuständig sein, sicherzustellen, dass die Selbstverwaltungseinrichtungen ihre Aufgaben den höchsten Standards entsprechend durchführen. Dafür soll die neue Behörde ihnen Anweisungen geben dürfen. Auch dies geht über eine reine Überprüfung von Gesetz und Satzung im Sinne der bereits vorhandenen Rechtsaufsicht hinaus und würde zu einer fachaufsichtlichen Beurteilung von Angemessenheit und Zweckmäßigkeit führen. Auch das ist eine nicht hinnehmbare Durchbrechung des Prinzips der Selbstverwaltung. Sinn und Zweck der Selbstverwaltung von Rechtsanwälten und vergleichbaren Berufsgruppen ist der Schutz von deren Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit wiederum dient der Wahrung des Rechtsstaatsprinzips, des Rechts auf ein faires Verfahren und dem Anspruch des Mandanten auf Vertraulichkeit.
Angesichts der gegenwärtigen rechtsstaatlichen Situation in Europa erscheint der Vorschlag der Kommission zur Einrichtung dieser nationalen Aufsichtsbehörden über die Selbstverwaltung auch mit Blick auf die dadurch eröffneten Missbrauchsmöglichkeiten besonders bedenklich.
1.3 Geldwäscheverordnung
Während die Regelungen über öffentliche Stellen in der Richtlinie enthalten sein sollen, um den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum zu gewähren, werden die Regeln über private in die neue Verordnung überführt, so dass sie künftig unmittelbar anwendbar sind. Dahin sind nun auch die Regelungen über Anwältinnen und Anwälte als Verpflichtete gewandert. Die Kommission hat den alten Wortlaut aus der Richtlinie übernommen.
Noch im Sommer begannen die Verhandlungen über das Paket im Rat. Die BRAK reagierte rasch und wies in einer Stellungnahme sowie in zahlreichen persönlichen Gesprächen mit den Entscheidungsträgern auf die grundlegenden Bedenken hin.
2. Stimmung gegen die Anwaltschaft
Was steckt hinter diesen einschneidenden Veränderungen? Gerade auch angesichts der Tatsache, dass die mit der vierten und fünften Geldwäscherichtlinie eingeführten Änderungen in der Geldwäscheprävention – die sich auch auf die Anwaltschaft auswirkten – noch gar nicht vollständig erprobt sein können, wirkt dieses Vorgehen übereilt. Druck auf die Regulatoren wird jedoch von Seiten der öffentlichen Meinung ausgeübt. Seit Jahren wird Europa von Skandalen im Finanzbereich erschüttert, seien es Panama, Pandora oder Paradise Papers. In all diesen Skandalen – deren Strippen oftmals gar nicht in Europa gezogen werden – tauchen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auf. In der Öffentlichkeit sowie bei einigen Entscheidungsträgern entstand daher die Vorstellung, Angehörige dieser Berufsgruppe müssten in besonderem Maße überwacht werden. Regulierungsvorschläge in diese Richtung tauchen auf EU-Ebene derzeit nicht nur im Bereich der Geldwäsche auf. Wir entgegnen hierauf, dass es am Gesetzgeber liegt, Graubereiche zu schließen. Für Anwältinnen und Anwälte, die in kriminelle Machenschaften verwickelt sind, ist das Strafrecht zuständig. Mit zunehmend schwerer zu handhabenden Präventionsregelungen und einer immer intensiveren Aufsichtsstruktur kann man dem nicht beikommen. Das Bild vom potenziell kriminellen Anwalt hat sich insbesondere auch im Europäischen Parlament verfestigt, wie sich diversen Resolutionen schon im Vorfeld entnehmen ließ. Aber auch in den Erwägungsgründen des Entwurfs für eine neue Geldwäscherichtlinie äußert sich die Kommission äußerst kritisch über die fehlende „public scrutiny“ im Bereich der Aufsichtstätigkeit durch die Selbstverwaltung.
3. Was seither geschah
Wie zu erwarten war, ging es dann insbesondere im Europäischen Parlament heiß her. Die gemeinsam federführenden Ausschüsse ECON (Wirtschaft) und LIBE (Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) haben im März 2022 ihren Entwurf für die Parlamentsposition zur neuen Geldwäscheverordnung vorgestellt. Darin wurden umfassende Änderungen am Wortlaut über Meldepflichten der Anwaltschaft vorgenommen. Er wurde dahingehend abgewandelt, dass in der Ausnahmeregelung für die Meldepflichten von Anwälten und anderen Rechtsberufen nur noch der Tatbestand „für den Mandanten die Rechtslage beurteilen“ erscheint, und nicht mehr die bisherige andere Alternative „der Verteidigung oder Vertretung im Gerichtsverfahren“. Zu dieser Ausnahmeregel gibt es drei wenig verständliche Rückausnahmen. Der Unterabsatz 2 a sieht dann vor, dass diese Rückausnahmen in bestimmten Fällen nicht zur Anwendung kommen sollen. In den Änderungsanträgen wurde dies glücklicherweise nicht wieder aufgegriffen, die Diskussion ist aber noch nicht abgeschlossen. In einer Anhörung im Parlament wurde die Vertreterin der Anwaltschaft massiv angegriffen.
Im Rat hingegen wurden bereits Positionen gefasst, dort konnten einige Vorschläge der Kommission deutlich entschärft werden. Im Dezember 2022 hat er seine Positionen zur Geldwäscherichtlinie vorgelegt. In Bezug auf die neue nationale Behörde hat er nun jedenfalls eine Klausel eingefügt, die die Kompetenzen der Behörde u. a. in Bezug auf die Selbstverwaltung der Anwaltschaft einschränkt. Der Rat hat neue Kriterien für die Rückausnahme zur Anwalts-Ausnahme eingeführt, die stark an eine Öffnungsklausel für Regelungen wie die deutsche Immobilien-Meldeverordnung (GwGMeldV-Immobilien) erinnert. Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob dies europarechtskonform ist. Im Europäischen Parlament soll Ähnliches im Gespräch sein. Der Rat hatte bereits im Sommer 2022 einen partiellen Standpunkt zur Verordnung über die AMLA-Behörde festgelegt; die Behörde soll der Selbstverwaltung keine Weisungen erteilen können, sondern nur noch Empfehlungen.
4. Ausblick
In den kommenden Wochen wird eine Beschlussfassung im Europäischen Parlament erwartet. Die BRAK hofft auch dort auf einen für die Anwaltschaft und den Rechtsstaat günstigen Ausgang. Sollte dieser nicht eintreten, bleiben uns immer noch die Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Institutionen. Selbstverständlich ist und bleibt die BRAK aktiver Partner im Austausch über die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die gerne bereit ist, ihren Beitrag zu leisten. Nicht hinnehmbar sind für uns jedoch die Strukturänderungen aus den Vorschlägen der Kommission, da diese die Unabhängigkeit der Anwaltschaft unterwandern. Im Dezember 2022 stärkte der EuGH die anwaltliche Verschwiegenheit in einem richtungsweisenden Urteil über DAC-6-Meldepflichten. Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidungsträger dies entsprechend würdigen.Wir sind jedenfalls weiter national und auf EU-Ebene mit den Entscheidungsträgern im Gespräch, so dass wir berechtigt hoffen, dass es für die Anwaltschaft nicht so schlimm wird wie ursprünglich befürchtet!
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