Die Ausbildung – ein Perspektivenwechsel

Warum entscheiden sich Schulabgänger & Co. heutzutage für den Beruf als Rechtsanwalts-fachangestellte? Welche Karrieremöglichkeiten nutzen sie? Und wie leben Rechtsanwälte die Ausbildung eigentlich in den Kanzleien? Wir wagen einen Perspektivenwechsel.

Ausbildung ist nicht gleich Ausbildung. Weder was die Inhalte und die Vergütung, noch was Weiterbildungsmöglichkeiten angeht. Selbst die Betrachtung eines einzelnen Ausbildungsberufs – in diesem Fall die des/der Rechtsanwaltsfachangestellten – bringt unterschiedliche Meinungen, Erfahrungen und Einschätzungen hervor. Denn schließlich spielen in einer Ausbildung weit mehr Akteure eine Rolle, als der Auszubildende allein.

Um den Beruf zum/r Rechtsanwaltsfachangestellten daher aus verschiedenen  Perspektiven zu betrachten, berichten im Folgenden eine aktuelle Auszubildende, eine geprüfte Rechtsfachwirtin sowie zwei Rechtsanwälte – jeweils aus einer ausbildenden Klein- und Großkanzlei – über ihre persönlichen Erfahrungen, die Bedeutung der Ausbildung für den Arbeitsalltag in Kanzleien, mögliche Karrierechancen und die Zukunft des Berufes.

AUS DEM ALLTAG EINER AUSZUBILDENDEN

Laura Zwerger, Auszubildende in der Rechtsanwaltskanzlei Wörner & Partner mbB in Augsburg, berichtet über ihre bisherige Erfahrungen in der Kanzlei, worauf es für sie im Umgang mit Mandanten besonders ankommt und was sie für die Zeit nach der Ausbildung plant:

Am 01.09.2015 habe ich meine Ausbildung in der Rechtsanwaltskanzlei Wörner & Partner mbB in Augsburg begonnen. Momentan bin ich im dritten Ausbildungsjahr und stehe kurz vor der Abschlussprüfung.

Aufgrund eines Praktikums in einer Rechtsanwaltskanzlei war für mich klar, dass ich diesen Beruf nach meinem Schulabschluss erlernen will. Daher habe ich mich auf diversen Internetseiten, vor allem der Arbeitsagentur, noch intensiver über den Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten informiert. Nach ausführlicher Recherche begann ich dann nach potentiellen Ausbildungsstellen zu suchen. Hierbei war die Homepage der Jobbörse sehr hilfreich. Dort habe ich viele Stellenangebote gefunden, auf die ich mich dann beworben habe und schlussendlich bei meiner jetzigen Kanzlei eingestellt wurde.

In meinem Beruf versuche ich, den Rechtsanwalt immer zu unterstützen und zu entlasten, so gut es geht. Vor allem Empathie ist sehr wichtig. Es kommen die unterschiedlichsten Menschen in die Kanzlei oder sind am Telefon, manche sprechen nicht gut deutsch oder z. B. nur englisch. Man sollte dann schon geduldig mit diesen umgehen.

Generell sollte man jedem Mandanten das Gefühl geben, in der Kanzlei gut aufgehoben zu sein. Es gibt aber auch schwierige und sehr aufgeregte Mandanten, zu denen man aber ebenso immer freundlich und professionell bleiben sollte.

Im dritten Ausbildungsjahr gehören unter anderem zu meinen täglichen Arbeiten:

  • Telefon und Empfang
  • selbständige Bearbeitung von Beitreibungsmandaten z. B. das Mahnverfahren und die  Zwangsvollstreckung
  • das Schreiben nach Diktat oder selbst verfasste Schreiben z. B. Terminsmitteilungen an den Mandanten
  • das Anfertigen von Anträgen z. B. Kostenfestsetzungsanträge, Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung
  • und die Postbearbeitung, d. h. das Notieren von Fristen und Terminen, jedoch unter Anleitung einer bereits ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten bzw. einer Rechtsfachwirtin. Diese macht mir besonders Spaß, ich lerne hierbei sehr viel über die Fristen, da mir meine Kollegin alles super erklärt, was mir auch in der Schule sehr hilft.


Durch mein Praktikum wusste ich bereits teilweise, welche Aufgaben auf mich zukommen. So konnte ich auch für mich herausfinden ob die Ausbildung das Richtige für mich ist.

Nach erfolgreichem Abschluss meiner Ausbildung, werde ich eine weitere Ausbildung zur Justizfachwirtin absolvieren. Dabei werden mir die Grundlagen, die ich bereits in der Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten gelernt habe, sehr helfen.

EIN ERFAHRUNGSBERICHT DER ANDEREN ART

 

Sehr geehrte Damen und Herren,


ich bin Auszubildende zur Rechtsanwaltsfachangestellten im 2. Lehrjahr und aktuell in der Kanzlei  ███████  in München tätig.

 

Ich habe lange überlegt, ob ich mich an die Rechtsanwaltskammer wenden soll. Nach vielen Gesprächen mit anderen Auszubildenden und meiner Familie, habe ich mich aber dann doch für diesen Weg entschieden.

 

Ich habe vor knapp zwei Jahren meine Ausbildung in der Kanzlei  ███████  begonnen. Von meinem Chef und meinen Kolleginnen wurde ich damals sehr herzlich begrüßt, sodass ich mich wirklich auf meine Ausbildung und die Zeit in der Kanzlei gefreut habe. Dieser erste gute Eindruck verflüchtigte sich dann aber doch recht schnell.

 

Als Schulabgängerin, die gerade neu in die Ausbildung gestartet ist, wollte ich natürlich alles sofort (kennen) lernen: die täglichen Abläufe in der Kanzlei, meine Aufgaben als Rechtsanwaltsfachangestellte, auf was man im Umgang mit Mandanten achten muss etc. Doch gleich von Beginn an musste ich mir jede Aufgabe selbst an Land ziehen. Oft saß ich auch einfach nur da ohne eine richtige Aufgabe und musste bei meinem Chef oder meinen Kolleginnen nachfragen, was ich tun bzw. wo ich unterstützen kann. Denn genau für diese fachliche Unterstützung hatte ich die Ausbildung ja eigentlich begonnen.

 

Manchmal bekam ich eine Antwort, manchmal aber auch nur ein „Ich habe jetzt keine Zeit für dich“. Und wenn ich dann etwas tun durfte, waren es keine fachlichen Aufträge. Die meiste Zeit in meinem ersten Ausbildungsjahr habe ich daher überwiegend mit Kaffee kochen, kopieren, einscannen und persönlichen Besorgungen für meinen Chef verbracht. Natürlich ist mir bewusst, dass nicht jeder Tag in der Ausbildung spannend sein kann und man auch mal Aufgaben übernehmen muss, die nichts mit Mandantenschreiben oder Ähnlichem zu tun haben. Auch habe ich überhaupt kein Problem damit, meinem Chef morgens seinen Kaffee zu bringen, wenn er in die Kanzlei kommt. Aber um nur solche, ich nenne es mal „Hilfsarbeiten“, zu machen, habe ich die Ausbildung eben nicht angefangen.

 

Ich habe daraufhin das Gespräch mit meinem Chef gesucht. Und tatsächlich hat sich etwas geändert: Ich bekam nach und nach immer mehr fachliche Aufgaben, was mich sehr freute.  Seit einem halben Jahr sogar so viele, dass ich manchmal gar nicht weiß, wie es zu schaffen ist. Das liegt aber nicht unbedingt an der Menge, sondern an der Tatsache, dass ich aufgrund der fehlenden Einarbeitung viele Dinge nachfragen muss oder versuche, mir sie bei meinen Kolleginnen „abzuschauen“. Dass sich nach wie vor so gut wie niemand Zeit für mich nimmt, ist leider geblieben und in der neuen Situation erst recht nicht förderlich für meine Arbeit.

 

Nachdem ich das Thema auch in der Berufsschule angesprochen habe, wurde mir geraten, mich einfach noch einmal  mit meinem Vorgesetzten zusammen zu setzen. Das fiel mir zwar nicht leicht, aber ich habe es zumindest versucht. Danach hat sich eigentlich alles nur noch verschlimmert. Oft bekomme ich die wichtigen Aufgaben, die am selben Tag noch erledigt werden müssen, erst im späten Nachmittag und bin dann auch dementsprechend lange in der Kanzlei. Und das ohne konkrete Anweisungen, Hilfe – und auch ohne eine wirkliche Pause. Von meinen Mitschülern in der Berufsschule habe ich erfahren, dass einige meiner (mittlerweile fachlichen) Aufgaben in anderen Kanzleien gar nicht von Auszubildenden im 2. Lehrjahr bzw. überhaupt nicht von Auszubildenden erledigt werden.

 

Ein drittes Gespräch mit meinem Chef einzufordern, fällt mir nun noch schwerer als zuvor eh schon. Schließlich wollte ich ja fachliche Aufgaben, nur dass mir leider nie jemand erklärt hat, wie was anzufertigen ist etc. Nach den Gesprächen mit meinen Mitschülern bin ich mir durchaus im Klaren, dass es in anderen Kanzleien noch schlimmer sein kann. Nichtsdestotrotz hoffe ich immer noch, dass es auch Kanzleien gibt, in denen die Ausbildung besser betreut wird.

 

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie als Rechtsanwaltskammer bitten, sich im Interesse aller Auszubildenden diesen Problemen anzunehmen und sie mit Taten aktiv zu unterstützen.

 

Immer wieder habe ich in meiner Kanzlei mitbekommen, wie die Anwälte bemängeln, dass sie keine geeigneten Fachkräfte mehr bekommen bzw. auch kein qualifiziertes Fachpersonal mehr auf dem Markt verfügbar ist. Um ehrlich zu sein: Das und die Schwierigkeit, neue Auszubildende zu gewinnen, wundert mich (leider) gar nicht.


Mit freundlichen Grüßen

█████ ████████████
Angehende Rechtsanwaltsfachangestellte

EINE GEPRÜFTE RECHTSFACHWIRTIN BERICHTET…

Die Autorin des nachfolgenden Artikels, Michaela Müller, hat vor 25 Jahren ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten beendet und vor vier Jahren die Prüfung zur geprüften Rechtsfachwirtin mit Meisterpreis abgelegt. Sie ist seit vielen Jahren als Büroleiterin in einer größeren mittelständigen Kanzlei im Herzen von München tätig; ferner ist sie Mitglied des Berufsbildungsausschusses sowie des Prüfungsausschusses für den Ausbildungsberuf der Rechtsanwaltsfachangestellten.

Zeitpunkt und Grund für mein Rechtsfachwirtstudium

Seit Beendigung meiner Ausbildung war ich als Rechtsanwaltsfachangestellte tätig. Im Mai 2009 bekam ich das Angebot, als Büroleiterin tätig zu werden. Zu meinen neuen Aufgaben gehörten die Organisation des Kanzleiablaufes, die Personalführung des gesamten Sekretariats sowie die Ausbildung der angehenden Rechtsanwaltsfachangestellten. Zwar habe ich im Laufe der vielen Jahre Berufserfahrung erworben, die mir auch für den neuen Aufgabenbereich als Büroleiterin zu Gute gekommen ist; nichtsdestotrotz verstärkte sich auch insbesondere wegen der fachlich deutlich höheren Anforderungen der Wunsch nach noch tieferem Wissen, sodass ich mich Anfang 2012 entschlossen habe, die Fortbildung zur geprüften Rechtsfachwirtin in Angriff zu nehmen.

Wie wird man geprüfte/r Rechtsfachwirt/in?

Damit man die Prüfung schafft, ist es meines Erachtens zwingend notwendig, einen entsprechenden berufsbegleitenden Fortbildungskurs zu besuchen. Der Kurs dauert ca. 1,5 Jahre und findet in der Regel an jedem Wochenende statt. Hinzu kommen unzählige Lernabende und auch ganze Lernwochenenden. Nicht zu unterschätzen ist auch der doch recht lange Zeitraum und die privaten Einschränkungen, die man während dieser Zeit hat. Einmal im Jahr findet die Prüfung vor der Rechtsanwaltskammer München statt, welche sich aus umfangreichen schriftlichen Prüfungen sowie einem praxisorientierten Situationsgespräch zusammensetzt.

 

Um die Fortbildung zur Rechtsfachwirtin meistern zu können, ist durchaus eine Menge an Ehrgeiz, Engagement, Disziplin und nicht zuletzt ein großer Wissensdurst erforderlich. Es muss jedem, der die Fortbildung anstrebt, bewusst sein, dass ein guter Abschluss nur durch eine regelmäßige aktive Teilnahme am Kurs und durch kontinuierliches Lernen von Anfang an möglich ist. Die prüfungsrelevanten Rechtsgebiete und Themen sind sehr breit gefächert und umfangreich, sodass man die Fortbildung keinesfalls unterschätzen sollte. Besonders die Zeit vor der Prüfungsvorbereitung ist hart und die Doppelbelastung Arbeit und Studium erfordert ein gutes Zeitmanagement.


Aber: Die Fortbildung lohnt sich – der Wissenshorizont erweitert sich immens!

Aufgabenbereiche von geprüften Rechtsfachwirten 

Meine Tätigkeiten in der Kanzlei als Rechtsfachwirtin sind vielseitig und anspruchsvoll. Neben qualifizierter Sachbearbeitung im anwaltlichen Aufgabenfeld, wie z.B. Betreuung des Kostenwesens sowie eigenverantwortliche Bearbeitung von Vollstreckungsangelegenheiten unter Berücksichtigung des jeweiligen materiellen Rechts, fällt auch die Fristenkontrolle in meinen Verantwortungsbereich. Zusätzlich manage ich das nichtanwaltliche Aufgabenfeld der Kanzlei, d.h. ich übernehme die Organisation des Büroablaufs. Insbesondere bin ich verantwortlich für den Personaleinsatz sowie die Personalführung und bin erster Ansprechpartner für unsere derzeit vier Auszubildenden.

Bedeutung der Fortbildung für die Anwaltschaft

Als geprüfte/r Rechtsfachwirt/in hebt man sich von Rechtsanwaltsfachangestellten deutlich ab. Wer die Prüfung besteht, verfügt über erstklassige Qualifikationen in folgenden Bereichen:

  • Büroorganisation und -verwaltung
  • Personalwirtschaft und Mandantenbetreuung
  • Kosten- und Gebührenrecht
  • Prozessrecht
  • Zwangsvollstreckung
  • materielles Recht
  • Steuerrecht


Aufgrund des breit gefächerten Wissens kann man als geprüfte/r Rechtsfachwirt/in qualifizierte eigenverantwortliche Sachbearbeitung im anwaltlichen Aufgabenfeld leisten und damit den Rechtsanwalt spürbar entlasten. Das Tätigkeitsfeld in der Kanzlei kann dadurch deutlich erweitert und anspruchsvoller gestaltet werden. Das ist für beide Seiten – also für Rechtsanwalt als auch für Rechtsfachwirt – ein großer Gewinn.


Rechtsanwälte, welche eine/n geprüfte/n Rechtsfachwirt/in als Sachbearbeiter/in oder als Büroleitung einstellen, können sich sicher sein, eine/n bestens qualifizierten Mitarbeiter/in an der Seite zu haben.

Fortbildung nur für junge Frauen sinnvoll?

Zulassungsvoraussetzung für die Prüfung zum/r Rechtsfachwirt/in ist eine mit Erfolg abgelegte Abschlussprüfung als Rechtsanwaltsfachangestellte/r und danach eine mindestens zweijährige Berufspraxis oder eine mindestens sechsjährige Berufspraxis in einem Anwaltsbüro. Die Statistiken zeigen, dass es insbesondere junge Rechtsanwaltsfachangestellte sind, die den Weg zur Rechtsfachwirtin einschlagen. Ein Grund dürfte darin liegen, dass man sich mit dem Titel „gepr. Rechtsfachwirt“ bereits in jungen Jahren eine deutliche Gehaltserhöhung erhoffen kann. Aber auch „erfahrene“ Rechtsanwaltsfachangestellte oder langjährige Mitarbeiter/innen im Rechtsanwaltsbüro sollten keine Scheu vor einer Rechtsfachwirt-Fortbildung haben. Diese lohnt sich immer und ich kann sie jedem empfehlen, der sich beruflich und persönlich verändern möchte: Wer die Fortbildungsprüfung bestanden hat, kann sich nicht nur sicher sein, deutlich an Wissen zu gewinnen, sondern hat auch ein bayerisches „Examen“ in der Tasche, das ihm in der Arbeitswelt der rechtsberatenden Berufe die Türen öffnet. Als geprüfte/r Rechtsfachwirt/in hat man nicht nur die Möglichkeit, die Büroleitung zu übernehmen; man hat auch hervorragende Chancen, sich in Kanzleien auf ein bestimmtes Fachgebiet zu spezialisieren oder sich selbstständig zu machen.

AUSBILDUNG IN DER KLEINKANZLEI

Herr Rechtsanwalt Kalaitzis, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unser heutiges Interview nehmen. Sie sind Rechtsanwalt in der Kanzlei Kalaitzis – Halder in Bernau. Wie viele Mitarbeiter sind bei Ihnen derzeit beschäftigt und wie groß ist dabei der Anteil an Auszubildenden?

 

Zurzeit beschäftigen wir vier Mitarbeiterinnen und der Anteil an Auszubildenden ist dabei leider 0. Der Grund dafür ist, dass auch die Zahl geeigneter Bewerbungen zuletzt "gegen 0" ging. Trotz großer Bemühungen gelang und gelingt es uns nicht, junge Menschen für diesen durchaus nicht einfachen und verantwortungsvollen Beruf zu begeistern und sehen uns in diesem Dilemma nicht alleine.

Der Beruf des Rechtsanwaltsfachangestellten wird oft als „Aushängeschild der Kanzlei“ oder „rechte Hand der Anwälte“ bezeichnet. Welche Bedeutung messen Sie diesem Beruf bei? Und was ist für Sie die wichtigste Tätigkeit, die ein Rechtsanwaltsfachangestellter in der Kanzlei übernimmt?

Gute und hochmotivierte Anwaltsfachangestellte sind das "A und O" einer erfolgreichen Anwaltskanzlei. Keine Spracherkennung und keine Software kann eine gute Mitarbeiterin oder einen guten Mitarbeiter ersetzen, die eigenständig mitdenken, vorausdenken und den Anwalt in den Bereichen entlasten, die ihnen in ihrer doch recht anspruchsvollen Ausbildung beigebracht wurden. Wer sein Personal entsprechend fordert und fördert und ihm den dazu notwendigen Vertrauensvorschuss und Freiraum zugesteht, wird bald merken, dass die Zuverlässigkeit und Loyalität der Mitarbeiter das wertvollste Kapital seiner Kanzlei sind. Wissen "beide Seiten" dies zu schätzen, dann steht die obligatorische Tasse mit frischem Kaffee morgens auch ohne ausdrückliche Anweisung auf Ihrem Schreibtisch.

Wie dürfen wir uns die ersten Wochen der Auszubildenden in Ihrer Kanzlei vorstellen und wie gestalten Sie ihre Betreuung während der Ausbildungszeit?

In den ersten Wochen werden die Auszubildenden Schritt für Schritt an ihre Aufgaben herangeführt. Das ist gar nicht so einfach, denn – wie überall, wo Menschen arbeiten – gibt es auch ganz unterschiedliche Charaktere. Manche der Auszubildenden sind sehr verhalten und unsicher, andere fast schon übermotiviert. Betreut werden sie dabei in aller Regel von den erfahrenen Anwaltsfachangestellten, die zum Teil auch ihrerseits  ihre Ausbildung bei uns gemacht haben und dann übernommen wurden. Wichtig war mir immer, nicht nur als "Supervisor" die Ausbildung zu überwachen und einzugreifen, wo dies nötig wurde, sondern dem Auszubildenden auch persönlich und anschaulich zu erklären, warum das Gesetz Dinge so oder so regelt. Wenn ein Azubi z.B. versteht, warum es bei Mord keine Berufungsinstanz gibt, beim Ladendiebstahl aber schon, dann muss er den Instanzenweg nicht erst auswendig lernen, um diese Prüfungsfrage beantworten zu können.

Welche Möglichkeiten – offline wie online – nutzen Sie, um auf sich als Ausbildungskanzlei aufmerksam zu machen und wen wollen Sie damit konkret erreichen?

Wir versuchen, unsere Kanzlei etwa in den sozialen Netzwerken nicht nur als anwaltlichen Dienstleister, sondern auch als Ausbildungsbetrieb darzustellen, der ein interessantes Arbeitsfeld und ein gutes Betriebsklima bieten kann. Bis vor einigen Jahren waren wir auch auf Ausbildungsmessen vertreten, um für diesen Beruf zu werben oder haben Vorträge in Schulen gehalten. Daneben sind wir auch bei der Agentur für Arbeit/im Jobcenter als Ausbildungsbetrieb registriert. Erreichen wollen wir damit junge Menschen, die in dieser Ausbildung keine Notlösung sehen für den eigentlichen "Traumberuf" als Bankkaufmann oder Arzthelferin, sondern erkennen, wie abwechslungsreich dieser Job sein kann und welche Karrierechancen bis hin zur allgemeinen Hochschulreife er bietet.

Wie sehen Sie allgemein die Zukunft des Berufes? Und gibt es etwas, das Sie an den Ausbildungsinhalten verändern würden?

Trotz aller Unkenrufe bin ich davon überzeugt, dass die moderne Technik diesen Beruf nicht überflüssig macht. Die Chance der Anwaltschaft besteht darin, dass sie so freiwerdende Kapazitäten an Zuarbeit umso besser auf Fachanwaltsangestellte übertragen und sich auf die eigenen anwaltlichen Kernaufgaben fokussieren kann. Hierbei dürfte man weniger an Ausbildungsinhalten etwas verändern müssen, als vielmehr an manchen Ausbildern selbst. Der schlechte Ruf dieses Ausbildungsberufes ist hausgemacht und Kollegen geschuldet, die Auszubildende noch immer als billige Aushilfskräfte betrachten und - vorsichtig formuliert - überwiegend mit ausbildungsfremden Hilfsarbeiten unterfordern. Und dies, obwohl Anwälte nicht nur nach dem Ausbildungsvertrag, sondern auch berufsrechtlich verpflichtet sind, ihre Auszubildenden angemessen zu beschäftigen, also ordnungsgemäß auszubilden.

Interview mit einer Anwältin aus einer Grosskanzlei

Frau Rechtsanwältin Maschke, wir freuen uns sehr, dass wir Sie für ein Interview in unserer aktuellen Ausgabe gewinnen konnten. Sie sind in der Münchner Großkanzlei Hogan Lovells Int. LLP tätig. Seit wann bildet Ihre Kanzlei aus und wie viele Auszubildende arbeiten derzeit bei Ihnen?

Wir bilden an unserem Münchener Standort seit dem Jahr 2002 kontinuierlich zum/zur Rechtsanwaltsfachangestellten aus. Um eine optimale Ausbildung mit entsprechender Betreuung während der gesamten Ausbildungszeit zu gewährleisten, bieten wir alle drei Jahre zwischen zwei und sieben jungen Frauen und Männern einen Ausbildungsplatz an. Gerade haben wir einem männlichen Auszubildenden zur bestandenen Prüfung gratulieren können.

Wo sehen Sie die Stärken Ihrer Kanzlei in Sachen Ausbildung?

Aufgrund unserer Größe unterscheiden sich unsere Struktur und Organisation von den Kanzleien kleineren Formats. Die Anwälte sind auf Rechtsgebiete spezialisiert und arbeiten in sogenannten Praxisgruppen zusammen. Zudem gibt es verschiedene Verwaltungsbereiche, wie beispielsweise die Rezeption, Rechnungsabteilung und nicht zuletzt das Office Management. Bei uns durchlaufen die Auszubildenden mindestens drei verschiedene Praxisgruppen und zwei Verwaltungsabteilungen, um unterschiedliche fachliche Bereiche und Teams kennenzulernen. Neben dem Erwerb fachlicher Kompetenz wird dadurch auch die Fähigkeit, sich auf unterschiedliche Teams einzustellen und sich in diese zu integrieren, gefördert. In den Sekretariatsteams werden die Auszubildenden von Rechtsanwaltsfachangestellten oder Rechtsfachwirten betreut. Es finden zudem regelmäßig hausinterne Schulungen z. B. für die MS Office Anwendungen statt. Daneben erhalten unsere Auszubildenden wöchentlich Englischunterricht. Und schließlich gibt es interne Schulungen, in denen fachliche Ausbildungsthemen behandelt werden. Begleitend dazu erhalten die Auszubildenden hausinterne Unterlagen, anhand derer sie den Lernstoff wiederholen können.

Mittlerweile gibt es ja eine Vielzahl an Möglichkeiten, um sich als ausbildende Kanzlei zu positionieren und neue Auszubildende zu gewinnen. Welche Offline- und Online-Kanäle nutzt Ihre Kanzlei?

Wir sind auf Ausbildungsinformationstagen in den unterschiedlichsten Schulen präsent. Ebenso halten wir Vorträge vor Schülergruppen, zuletzt u. a. vor Schülern der 7. Klasse der staatlichen Realschule Gauting. Ein Facebook-Profil, Stellenanzeigen über die unterschiedlichsten Plattformen wie der Münchner Rechtsanwaltskammer, muenchenerJOBS.de, monster.de etc. gehören ganz selbstverständlich dazu. Wenn möglich, lassen wir im Rahmen der Stellenausschreibungen, wie auf unserer Homepage oder muenchenerJOBS.de, auch gerne Mitarbeiter in Form eines Interviews via Video zu Wort kommen.

Eigenverantwortliches Arbeiten wird als Rechtsanwaltsfachangestellte/r vorausgesetzt. Wie wird dies in der Kanzlei gefördert? Und welche Möglichkeiten haben die Auszubildenden, sich selbst einzubringen?

Unsere Auszubildenden werden von Anfang an als vollwertiges Teammitglied behandelt. Dementsprechend werden ihnen bereits frühzeitig Aufgaben zur selbstständigen Erledigung übertragen und sie lernen so bereits von Beginn der Ausbildung an, Verantwortung zu übernehmen und ihren Teil zum guten Gelingen der zu bewältigenden Aufgaben beizutragen. Wir schätzen engagierte Mitarbeiter und sind stets offen für Innovationen, die unsere tägliche Arbeit erleichtern oder effizienter machen. So haben wir konkrete Verbesserungsvorschläge eines Auszubildenden gerne aufgegriffen und auch tatsächlich umgesetzt. Darüber hinaus haben unsere Auszubildenden die Möglichkeit, sich auch sozial im Rahmen verschiedener von Hogan Lovells unterstützter Projekte einzubringen, wie z. B. die Verteilung der von unseren Mitarbeitern gesammelten Weihnachtsgeschenke für unseren Charity-Partner "Die Arche – München" vor Ort an die Kinder.

Die meisten Auszubildenden in diesem Beruf sind laut Statistiken weiblich und beginnen ihre Ausbildung unmittelbar nach dem Schulabschluss. Wie sieht die demografische Verteilung in Ihrer Kanzlei aus?

Wir freuen uns, dass wir immer wieder auch junge männliche Schulabgänger für diesen abwechslungsreichen und spannenden Ausbildungsberuf begeistern konnten und können, wenn auch der Ausbildungsberuf nach wie vor überwiegend von Frauen dominiert wird. Wir haben mittlerweile auch einige männliche (ausgelernte) Rechtsanwaltsfachangestellte, die eine Bereicherung für unsere Sekretariatsteams sind. Bei unseren Auszubildenden fügte sich die Ausbildung in der Regel unmittelbar an den Schulabschluss an. Wir haben auch gute Erfahrungen sammeln können mit Auszubildenden, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt für die Ausbildung entschlossen haben. "Wechsler", die ihre Ausbildung in einer anderen Kanzlei begonnen hatten und aus den unterschiedlichsten Gründen zu uns kamen, haben ihre Ausbildung hier sehr erfolgreich fortgesetzt und beendet.

Gibt es in Ihren Augen noch weitere mögliche Zielgruppen, die Kanzleien hinsichtlich der Ausbildung zum/r Rechtsanwaltsfachangestellten in Zukunft noch stärker ansprechen sollten?

Bei der Auswahl unserer Auszubildenden sind wir nicht auf bestimmte Zielgruppen festgelegt; wir freuen uns beispielsweise auch über Bewerber aus anderen Kulturkreisen. Gute Noten sind nicht das alleinige Auswahlkriterium. Voraussetzung ist vielmehr, dass der/die Bewerber/in die für die Ausbildung notwendigen Grundvoraussetzungen mitbringt. Wir müssen davon überzeugt sein, dass der/die Bewerber/in motiviert und für den Beruf geeignet ist.

Bildquellen: olaser/iStock/Wörner & Partner mbB Rechtsanwälte und vereidigte Buchprüfer/Glock Liphart Probst & Partner/Hogan Lovells International LLP