Auf ein Wort, Frau Uta Fölster!

Uta Fölster ist seit 15.10.2022 neue Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft. Uta Fölster war von 2008 bis 2021 Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts. Sie startete ihr Berufsleben als Staatsanwältin und Richterin in Berlin. Nach Abordnung in die Berliner Senatsverwaltung war Uta Fölster für die dortige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und baute anschließend die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts mit auf. Weitere Stationen führten sie als Richterin ans Kammergericht und als Präsidentin ans Amtsgericht Berlin-Mitte. 
 

Sehr geehrte Frau Fölster, wir möchten Ihnen zu Beginn unseres Interviews zunächst einmal herzlich zu Ihrem Amt als neue Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft zum 15.10.2022 gratulieren. Was hat Sie damals bewogen, Jura zu studieren, und nach erfolgreichem Abschluss eine Laufbahn in der Justiz einzuschlagen? 

Herzlichen Dank für die Glückwünsche und die Gelegenheit, mich bei Ihnen vorstellen zu dürfen!

Jura habe ich nur deshalb studiert, weil mir nichts anderes eingefallen ist. Da wir damals in der Schule nicht in Rechtskunde unterrichtet worden sind und auch im Fach Gemeinschaftskunde diese Thematik nur am Rande eine Rolle spielte und ich gern etwas studieren wollte, was nicht unbedingt auf Schulwissen aufbaute, fiel meine Wahl halt auf dieses Fach. Ich erinnere mich noch gut an die Reaktion meiner Eltern, die ungefähr mit den Worten „Ach Du meine Güte“ zusammengefasst werden kann. Ich bin auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein groß geworden und in meiner Familie gab es weit und breit keine Juristinnen und Juristen. Und die seltenen Fälle, in denen meine Eltern eher unfreiwillig Kontakt mit Vertretern dieser Berufsgruppe hatten, ließ sie offenbar nicht immer begeistert zurück.

Wirklich Freude an juristischer Arbeit habe ich erst im Referendariat entwickelt. Endlich erfuhr man, wofür man das mühselig Erlernte tatsächlich gebrauchen konnte. Insbesondere eine erfahrene Amtsrichterin hat mich damals mit ihrer gelassenen, gleichermaßen freundlichen wie souverän-bestimmten Verhandlungsführung beeindruckt. Das wollte ich auch machen.

Die Schlichtungsstelle wurde auf Initiative der Bundesrechtsanwaltskammer eingeführt und feierte 2021 zehnjähriges Jubiläum – Grund genug, Bilanz zu ziehen: Wie beurteilen Sie die Arbeit der Schlichtungsstelle, wie bewerten Sie das Ansehen und die Akzeptanz der Schlichtungsstelle? 

Nach meinem Eindruck fällt die Bilanz sehr positiv aus. Schon die hohe Zahl von Anträgen, die sich in den vergangenen Jahren auf konstant etwa 1000 jährlich eingependelt hat, belegt, dass sich die Schlichtungsstelle zu einer gefragten Einrichtung der außergerichtlichen Streitschlichtung etabliert hat. Zudem ist es gelungen, sie als gesetzlich anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle zu entwickeln – eine nicht zu unterschätzende Anerkennung ihrer Arbeit und der Notwendigkeit, auch in diesem Bereich das Rechtsschutzangebot zu erweitern. 

„Streitende sollten wissen, dass nie einer ganz recht hat und der andere ganz unrecht.“ So lautet ein Zitat von Kurt Tucholsky (1890–1935), das auch in der Jubiläumsschrift der Schlichtungsstelle zu lesen ist. Warum hat sich aus Ihrer Sicht die Schlichtungsstelle bewährt?

Meine langjährige richterliche Erfahrung hat mich gelehrt, dass zwar jeder Streit durch einen Richterspruch entschieden werden kann, aber ein solcher – bisweilen auch viel Zeit kostender – Spruch nicht immer dauerhaften Rechtsfrieden zu gewährleisten vermag und nicht in jedem Fall außerrechtliche Aspekte des Streits genügend berücksichtigt werden können. Die kluge Einsicht Tucholskys findet sich in anderen Worten auch in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: „Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in unserem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung.“

Die Kritik derer, die Schlichtungsstellen nach wie vor skeptisch begleiten, teile ich im Ergebnis nicht. Selbstverständlich müssen und werden etwaige Gefahren außergerichtlicher Streitbeilegung wie etwa „Verdrängung staatlichen Rechts“, „Entmachtung der Gerichte“ und „Intransparenz“ offen und mit großer Ernsthaftigkeit diskutiert. Und es ist gut und richtig, dass infolge der Debatten Gesetz- und Satzungsgeber dieser Gefahr entgegenwirkende, weise Verfahrensvorgaben formuliert haben, die z. B. die Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage und umfangreiche Beweisaufnahmen den staatlichen Gerichten vorbehalten. Diese verpflichtenden Vorbehalte und die Erkenntnis, dass bei vielschichtigen Interessenlagen die „gesetzmäßige“ und die „gerechte“ Lösung eines Einzelfalls sich nicht stets decken, sind nach meinem Dafürhalten gewichtige und überzeugende Gründe, die außergerichtliche Streitschlichtung als eine sinnvolle, niederschwellige Komplettierung von Rechtsschutzangeboten zu begreifen. Das gilt mit Blick auf die letzten zwölf Jahre auch für die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft.

Sie haben verschiedene berufliche Stationen durchlaufen, bevor Sie im Herbst das Amt der Schlichterin der Schlichtungsstelle übernommen haben. Welche Erfahrungen können Sie aus Ihren vorherigen Tätigkeiten in Ihrem neuen Amt einbringen? 

Ich hoffe, dass meine Erfahrungen als Pressesprecherin bei der Formulierung von Schlichtungsvorschlägen nützlich sein können. Auch und gerade Mandantinnen und Mandanten, die in der Mehrheit die Schlichtungsanträge stellen, sollen, ja müssen die Vorschlagserwägungen nachvollziehen können. Nach dem, was ich bisher gelesen habe, wird dieser Notwendigkeit durchaus Rechnung getragen. Aber bei dem häufig schwierigen Thema Kommunikation mag es in dem einen oder anderen Fall noch Luft nach oben geben. Das gilt allemal, wenn man berücksichtigt, dass es keine mündlichen Schlichtungsverhandlungen gibt, also auch keine mündlichen Erläuterungen im direkten Kontakt.

Und auch meine richterliche Erfahrung, nicht nur im „Richten“, sondern auch im Führen von Vergleichsgesprächen, dürfte hilfreich sein. Über die Jahre habe ich doch viel Verständnis dafür entwickelt, dass und weshalb „juristisch saubere“ Gerichtsentscheidungen nicht von jeder Seite als gerecht empfunden werden. Und ehrlich gesagt, hätte ich den einen oder anderen Streit gern auch anders entschieden als mir das Gesetz nach meinem Verständnis seiner Aussage vorgegeben hat – nicht unbedingt immer mit dem gegenteiligen Ergebnis, aber doch in einigen Punkten abweichend. 

Was denken Sie, welche Kenntnisse und Fähigkeiten, welche persönliche Eigenschaft werden Ihnen bei Ihren künftigen Aufgaben besonders nützlich sein?

Über die bereits beschriebenen hinaus wird das nützlich sein, was mir schon in der Vergangenheit geholfen hat, Aufgaben – einigermaßen – erfolgreich zu bewältigen: Ich weiß um die eigene Begrenztheit und um die Notwendigkeit des „lebenslangen Lernens“, ich arbeite für mein Leben gern im Team, mag Menschen und habe von meinem weiblichen Vorbild Jutta Limbach das Motto übernommen: Bange machen gilt nicht! 

Was haben Sie sich für die Zeit als Schlichterin der Schlichtungsstelle vorgenommen? Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Schlichtungsstelle in den nächsten Jahren zukommen?

Der erste Teil ist eine schwierig zu beantwortende Frage, weil ich mich noch in der „Erkenntnisphase“ befinde. Ich halte aus vielerlei Gründen überhaupt nichts davon, einen gut funktionierenden Arbeitsbereich mit vermeintlichen Verbesserungsvorschlägen zu beglücken, bevor ich entsprechendes Potenzial nicht verlässlich ausgemacht habe. Deshalb haben Sie bitte Nachsicht mit meiner wenig konkreten Antwort: Ein Anliegen sind mir verständliche und damit eher nachvollziehbare, transparente Schlichtungsvorschläge. Ein weiteres ist es, die Schlichtungsstelle auch im Bewusstsein der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte stärker zu verankern. Kostenfrei und unverbindlich rechtlich qualifizierten Rat bei einer neutralen Stelle einholen zu können, wie ein Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant ohne nervenaufreibenden und zeitraubenden Aufwand interessengerecht beigelegt werden kann, ist ein Angebot, das man vernünftigerweise nicht ausschlagen sollte. Und nach dem, was ich bisher an Schlichtungsvorschlägen gelesen habe, dürften bisweilen auch Anwälte von den rechtlichen Begründungsausführungen profitieren – und sei es auch im Falle der Ablehnung eines Vorschlags nur für die Zukunft.

Versuche ich einen Blick in die Zukunft, so sehe ich, dass die kritische Debatte um die Themen „Verdrängung staatlichen Rechts“ und „Entmachtung der Gerichte“ wieder an Aktualität gewinnen wird. Denn seit September 2020 wird im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz versucht zu ergründen, weshalb die gerichtlichen Zivilverfahren in den letzten Jahren so stark zurückgegangen sind. Zum Untersuchungsauftrag gehört auch die Frage: „Sind die Fälle, die nicht vor die staatliche Justiz gelangen, in andere Bereiche der Streitbeilegung (z. B. Schiedsgerichtsbarkeit, außergerichtliche Schlichtung) ,abgewandert‘ und was sind ggf. die Gründe hierfür?“

Der Abschlussbericht ist für Anfang 2023 vorgesehen. Je nach Ergebnis wird sich auch die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft argumentativ wappnen müssen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.

Neben Ihrem Engagement – wie entspannen Sie sich in Ihrer Freizeit?

Mit ganz üblichen Aktivitäten wie etwa Sport (viel zu wenig …), Lesen, Freundinnen und Freunde treffen, meine ehrenamtlichen Aufgaben erledigen (das bereitet mir tatsächlich entspannende Freude) und einfach mal gar nichts tun. Letzteres ist für mich, die ich ziemlich preußisch erzogen worden bin, gar nicht so einfach, aber gut für das eigene Wohlbefinden.

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