Die beiden Beschwerdeführerinnen waren zu einem Kammerbeitrag herangezogen worden und haben gegen die Beitragsbescheide erfolglos geklagt. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wandten sie sich gegen die Beitragsbescheide und gegen die Regelungen des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammer (IHKG) zur Pflichtmitgliedschaft. Die Betroffenen trugen vor, hierdurch in ihren Rechten aus Art. 9 Abs.1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu sein.
Durch die Heranziehung zu Beiträgen an die Industrie- und Handelskammern, die auf einer gesetzlich begründeten Pflichtmitgliedschaft beruhen, sieht das BVerfG nicht den Schutzbereich des Grundrechts der Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG eröffnet. Die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG garantiere die Freiheit, sich aus privater Initiative unabhängig vom Staat mit anderen zu Vereinigungen zusammenzuschließen, sie zu gründen oder ihnen fernzubleiben. Sie ziele auf freiwillige Zusammenschlüsse zu frei gewählten Zwecken. Eine gesetzlich angeordnete Eingliederung in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft beruhe hingegen auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte öffentliche Aufgaben auch unter kollektiver Mitwirkung privater Akteure zu erledigen. Das weitere Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von „unnötigen“ Körperschaften in Anspruch genommen zu werden, ergebe sich vielmehr aus Art. 2 Abs. 1 GG.
Die Einbindung in die Industrie- und Handelskammer im Wege der Pflichtmitgliedschaft ist nach Auffassung des BVerfG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die in § 1 IHKG normierten Aufgaben entsprechen der für die wirtschaftliche Selbstverwaltung typischen Verbindung von Interessenvertretung, Förderung und Verwaltungsaufgaben, die vom BVerfG bereits mehrfach als legitimer Zweck für die Pflichtmitgliedschaft angesehen wurde. Gerade die Pflichtmitgliedschaft sichere, dass alle regional Betroffenen ihre Interessen einbringen können und diese fachkundig vertreten werden.
Die Regelungen zur Pflichtmitgliedschaft sind geeignet, um diese Zwecke zu erreichen und stellen eine taugliche Grundlage für die Erhebung von Beiträgen dar. Zwar könnte der Gesetzgeber die Pflichtmitgliedschaft durch ein Konzept freiwilliger Mitgliedschaft bei Erhalt der Kammern im Übrigen ersetzen. Die Pflichtmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden eines Bezirks sichere jedoch die Voraussetzungen für eine partizipative Ermittlung des Gesamtinteresses nach § 1 Abs. 1 IHKG, bei der tatsächlich alle Betriebe und Unternehmen berücksichtigt werden können. Wäre die Mitgliedschaft freiwillig, bestünde der Anreiz, als „Trittbrettfahrer“ von den Leistungen der Kammer zu profitieren, ohne selbst Beiträge zu bezahlen. Die an die Pflichtmitgliedschaft gebundene Beitragspflicht trage demnach dazu bei, den Kammern die Erfüllung ihrer Aufgaben – vorbehaltlich der Angemessenheit ihrer Höhe und der ordnungsgemäßen Verwendung – zu ermöglichen.
Die Pflichtmitgliedschaft ist auch zumutbar, um die legitimen Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. Die Pflichtmitgliedschaft verleihe Kammerzugehörigen Rechte zur Beteiligung und Mitwirkung an den Kammeraufgaben. Das BVerfG betont allerdings, dass bei der Wahrnehmung des Gesamtinteresses auch abweichende Interessen einzelner Mitglieder oder grundlegende Interessenkonflikte, die für einzelne Mitglieder von erheblicher Bedeutung sind, berücksichtigt werden müssen: § 1 Abs.1 IHKG beinhalte ein Abwägungsgebot und gerade nicht die Aufgabe der reinen Interessenvertretung. Hieraus folge ein Minderheitenschutz, der es erforderlich mache, unterschiedliche Positionen in der Darstellung des Abwägungsmaterials zu benennen, diese ausführlich auszuweisen oder auch ein echtes Minderheitenvotum zu ermöglichen.