Gesetzgeber ermöglicht Errichtung einer „weiteren Kanzlei“

Im Rahmen der so genannten kleinen BRAO-Reform wurde mit Wirkung zum 18.05.2017 die Regelung des § 27 BRAO erweitert. Bislang war es den Rechtsanwälten nur möglich, neben ihrer Hauptkanzlei noch Zweigstellen zu errichten. Seit dem 18.05.2017 sieht § 27 Abs. 2 BRAO auch die Möglichkeit zur Errichtung einer weiteren Kanzlei vor.

Im Unterschied zu einer Zweigstelle ist die weitere Kanzlei gänzlich eigenständig und nicht von einer Hauptkanzlei abhängig oder an eine solche angegliedert. Eine weitere Kanzlei liegt danach dann vor, wenn ein Rechtsanwalt in voneinander unabhängigen Berufsausübungsgemeinschaften oder neben einer solchen als Einzelanwalt tätig wird. Aufgrund der bisherigen gesetzlichen Regelung konnten auch diese Konstellationen nur als Errichtung einer Zweigstelle erfasst werden, obwohl diese begrifflich voraussetzt, dass eine Angliederung an eine Hauptkanzlei besteht und insoweit einen weiteren Standort darstellt. Nunmehr wurde hierfür vom Gesetzgeber, im Rahmen der Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA), die Option zur Errichtung einer weiteren Kanzlei geschaffen.

Bei einer weiteren Kanzlei sind grundsätzlich die Pflichten zu beachten, die auch an die Zweigstelle gestellt werden. So ist die Errichtung oder Aufgabe einer weiteren Kanzlei gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 BRAO unverzüglich der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen. Das gilt nach § 27 Abs. 2 S. 2 auch für den Fall, wenn sich die weitere Kanzlei im Bezirk einer anderen Kammer befindet.

Darüber hinaus unterliegt die weitere Kanzlei den Voraussetzungen einer Kanzlei, § 27 BRAO, § 5 BORA. Demnach sind die Mindestanforderungen zur Gewährleistung der Erreichbarkeit in der weiteren Kanzlei vorzuhalten.

Aufgrund einer Änderung der Eintragungspflichten in das Bundesweite Amtliche Anwaltsverzeichnis wird zukünftig die Verpflichtung geschaffen werden, dass ein Rechtsanwalt seinen Kanzleinamen angeben muss. Bei der Bezeichnung der weiteren Kanzlei sind hierbei erhöhte Anforderungen zu beachten. Um zu vermeiden, dass der Verbraucher bei mehreren Kanzleien eines Anwalts in die Gefahr kommt, diese zu verwechseln, muss sichergestellt sein, dass sich der Name der weiteren Kanzlei von dem Namen anderer, für diese Person eingetragenen Kanzleien unterscheidet.

Für jede weitere Kanzlei wird gemäß § 31a Abs. 7 BRAO n.F. ein weiteres besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) eingerichtet, um die unabhängige Organisation der Kanzleien zu gewährleisten sowie die Verschwiegenheitspflicht zu wahren. Hierbei gilt es zu beachten, dass für jedes weitere besondere elektronische Anwaltspostfach zusätzlich Kosten anfallen. Im Unterschied zu einer Zweigstelle entsteht daher bei Anzeige einer weiteren Kanzlei ein erhöhter Kostenaufwand.