Der Zulassung von aktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Rechtsanwaltschaft steht die BRAO grundsätzlich ablehnend gegenüber.1 Seit am 1. Januar 2016 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte2 in Kraft getreten ist und damit die Doppelberufstheorie aufgegeben wurde3 , können bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber beschäftigte Juristen unmittelbar in dieser Tätigkeit (Syndikus-)Rechtsanwälte sein. Seither stellt sich die Frage, ob die für den niedergelassenen Rechtsanwalt entwickelten Grundsätze zur Unvereinbarkeit seiner Anwaltstätigkeit mit einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst auch für den Syndikusrechtsanwalt gelten.4 Jüngst haben dazu zwei Anwaltsgerichtshöfe5 divergierende Entscheidungen getroffen.
Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt setzt gem. § 46a Abs. 1 BRAO voraus, dass die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gem. § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die konkret ausgeübte Tätigkeit den besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 46 Absatz 2 bis 5 BRAO entspricht. Noch bevor also die syndikusspezifischen Zulassungskriterien – die Prägung des Arbeitsverhältnisses durch Prüfung von Rechtsfragen, Erteilung von Rechtsrat etc. – geprüft werden, stellt sich für den im öffentlichen Dienst tätigen Volljuristen die Frage, ob nicht der Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO einer Zulassung generell entgegensteht.
Die Norm besagt, dass die Zulassung als Rechtsanwalt zu versagen ist, wenn die antragstellende Person eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Die Norm dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Rechtspflegeorgan6 sowie dem Schutz der notwendigen Vertrauensgrundlage der Rechtsanwaltschaft.7 Eine deutliche Trennung des Rechtsanwaltsberufs von einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst sei erforderlich, weil die Mittel der Berufsaufsicht Abhängigkeitsverhältnisse nicht zuverlässig ausschließen könnten oder jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit nicht gleich wirksam seien.8
Mit dieser Argumentation hat aktuell der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen einer in der Geschäftsführung eines Jobcenters für Arbeit und Grundsicherung tätigen Juristin die begehrte Zulassung als Syndikusrechtsanwältin versagt.9 Das Ziel der Versagungsnorm bestehe darin, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern sowie die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen.10 Im Fall sieht der Anwaltsgerichtshof vor allem die Gefahr, dass beim rechtsuchenden Publikum Zweifel an der Unabhängigkeit der Antragstellerin entstehen könnten, weil sie als behördliche Repräsentantin wahrgenommen würde. Es werde, so das Gericht weiter, die Gefahr begründet, dass Mandanten der Antragstellerin oder deren Gegner sich vorstellen werden, die Antragstellerin könnte mehr für ihre Mandanten bewirken als andere Rechtsanwälte. Allein schon daraus, so der Anwaltsgerichtshof NRW, ergebe sich die Unvereinbarkeit der Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit dem Beruf der (Syndikus-)Rechtsanwältin.
Anders hat der Hessische Anwaltsgerichtshof11 am 08.05.2017 im Falle einer Referentin für Rechtspolitik einer Behörde entschieden. Der Anwaltsgerichtshof stellte fest, dass mit der gesetzlichen Anerkennung des Berufsbildes des Syndikusrechtsanwalts die Doppelberufstheorie aufgegeben wurde und der Syndikusrechtsanwalt per se keinen Zweitberuf mehr ausübt, weshalb § 7 Nr. 8 BRAO auf den Syndikusrechtsanwalt nur noch dann Anwendung finden könne, soweit er tatsächlich einen echten Zweitberuf nichtanwaltlicher Art ausübe.12
Schon nach bisheriger Rechtslage galt, dass weit nicht jede Tätigkeit im öffentlichen Dienst der Zulassung als Rechtsanwalt entgegensteht. Es war im Einzelfall zu prüfen, ob die gleichzeitige Ausübung des Anwaltsberufs und eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst die Belange der Rechtspflege gefährden können.13 Eine derartige Gefahr wurde als gegeben angesehen, wenn der Rechtsanwalt öffentliche Aufgaben von einer Art wahrnimmt, dass das rechtsuchende Publikum den Eindruck gewinnen kann, die Unabhängigkeit des Anwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt. Hiervon war nach der Rechtsprechung insbesondere dann auszugehen, wenn der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf hoheitlich tätig war.14 Ist eine solche Gefahr nicht gegeben, so sprach schon nach bisheriger Rechtslage nichts gegen die Zulassung als (Kanzlei-)Rechtsanwalt neben der Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Unterscheidet sich insbesondere die Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach Art und Umfang nicht von der eines vergleichbaren Angestellten in der Privatwirtschaft, ergibt sich eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege in der Regel nicht.15 Wenn der Zulassungsbewerber dagegen etwa hoheitliche Aufgaben für seinen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber übernimmt, ist die Zulassung als (niedergelassener) Rechtsanwalt neben dieser Tätigkeit dagegen regelmäßig zu versagen.16 Indes treffen in diesen Fällen die Argumente, die den Eingriff in die Berufsfreiheit17 nach alter Rechtslage für den niedergelassenen Rechtsanwalt rechtfertigten, für den ausschließlich als Syndikusrechtsanwalt tätigen Anwalt allenfalls teilweise. Denn in erster Linie sieht der Bundesgerichtshof die Belange der Rechtspflege deshalb als gefährdet an, weil bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen könne, der Rechtsanwalt könne wegen seiner „Staatsnähe“ mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken, oder, umgekehrt, der Gegner eines solchen Rechtsanwalts den Eindruck der Benachteiligung gewinnen könne.18
Diese Gefahr liegt beim (Nur-)Syndikusrechtsanwalt aber fern, denn er vertritt – für den Verkehr erkennbar – eben nicht jedermann, sondern ohnehin nur seinen (behördlichen) Arbeitgeber, was er zudem durch die besondere Berufsbezeichnung als „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ auch zum Ausdruck bringt. Zu der ‚Vorstellung‘, der Syndikusrechtsanwalt der Behörde könne für einen außenstehenden Rechtssuchenden aufgrund seiner Behördenkontakte mehr bewirken, als ein anderer Rechtsanwalt, kann es aber schon gar nicht kommen, weil der (Nur-)Syndikusrechtsanwalt dem außenstehenden Rechtssuchenden ohnehin nicht als dessen Anwalt zur Verfügung steht, denn die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung beschränkt sich gem. § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Ebenso wenig könnten Gegner des Syndikusrechtsanwalts den Eindruck der Benachteiligung gewinnen, weil der (Nur-)Syndikusrechtsanwalt ohnehin nur für seine Behörde tätig wird. Und auch verfängt (bei gewährleisteter fachlicher Unabhängigkeit – vgl. § 46 Abs. 4 BRAO –) das Argument nicht mehr, Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Syndikusrechtsanwalt und Behörde müssten ausgeschlossen werden oder es müsste dem Eindruck entgegengewirkt werden, der Syndikusrechtsanwalt sei vom Staat abhängig.19 Denn dass der Syndikusrechtsanwalt (wirtschaftlich) abhängig von seinem Arbeitgeber ist, da er sein einziger Mandant ist, ist dieser neuen Ausgestaltung des Anwaltsberufs immanent.
Ferner soll die Regelung des § 7 Nr. 8 BRAO aber auch allgemein die Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltsberufs schützen, wobei die Zulassung von aktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Rechtsanwaltschaft diesem Schutzgedanken widerspreche.20 Insoweit ließe sich ggf. noch argumentieren, dass die Freiheit der Anwaltschaft nur durch eine strikte Trennung zwischen Staat und Anwaltschaft gewährleistet werden kann. Doch dass eine solche schematische Trennung mit Blick auf die Berufsfreiheit nicht verfassungskonform wäre, hatte das Bundesverfassungsgericht schon zur alten Rechtslage ausgeführt.21
RA Rolf Pohlmann
Vizepräsident und Vorsitzender der für Syndikuszulassungen zuständigen Abteilung XIII der RAK München
1 Vossebürger in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 7 Rz. 104
2 „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung“ v. 21.12.2015, BGBl. 2015 I, S. 2517.
3 BT-Drucks. 18/5201 S. 18.
4 Vgl. etwa Kleine-Coack, AnwBl. 2016, 101, 10
5 AGH Hessen, Urt. v. 08.05.2017, Gz. 1 AG 14/16 und AGH NRW, Urt. v. 28.04.2017, Gz. 1 AGH 66/17
6 BT.-Drucks. 12/4993 S. 24.
7 Henssler in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 7 Rz. 78.
8 BGH, Beschl. v. 26.5.2003, Gz. AnwZ (B) 50/02
9 AGH NRW, Urt. v. 28.04.2017, Gz. 1 AGH 66/17
10 AGH NRW, Urt. v. 28.04.2017, Gz. 1 AGH 66/17 mit Verweis auf BVerfGE 87, 287, 321
11 AGH Hessen, Urt. v. 08.05.2017, Gz. 1 AG 14/16
12 A GH Hessen, Urt. v. 08.05.2017, Gz. 1 AG 14/16
13 BGH, Beschl. v. 25.02.2008, Gz. AnwZ (B) 23/07
14 BGH, Beschl. v. 25.02.2008, Gz. AnwZ (B) 23/07; BGH, Beschl. v. 26.05.2003, Gz. AnwZ (B) 50/02
15 BGH, Beschl. v. 12.05.1975, Gz.: AnwZ (B) 14/74
16 Schmidt-Räntsch in: Gaier Wolf Göcken, BRAO-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 7 Rz. 81 m.w.N.
17 BVerfGE 21, 173 (179)
18 BGH, Beschl. v. 25.02.2008 – AnwZ (B) 23/07, Tz. 5; BGH, Beschl. v. 26.05.2003 – AnwZ (B) 50/02.
19 So BGH, Beschl. v. 25.02.2008 – AnwZ (B) 23/07; schon bislang stand § 7 Nr. 8 BRAO Beraterverträgen zwischen Anwalt und Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht entgegen (vgl. Vossebürger in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 7 Rz. 104 m.w.N.).
20 BGH, Beschl. v. 25.02.2008 – AnwZ (B) 23/07, Tz. 4.
21 BVerfGE 87, 287 Tz. 119.