Was sagt die Generation Y zur Zukunft des Anwaltsberufs?

Wir haben bei Dina Kagan, Jura-Studentin an der LMU München, nachgefragt. Was sie am anwaltlichen Beruf so fasziniert, wie sie sich ihren späteren Arbeitsplatz vorstellt und was ein Anwalt von morgen ihrer Meinung nach mitbringen muss, erzählt sie im Interview.

Frau Kagan, Sie sind Jura-Studentin an der LMU München und aktuell im 9. Fachsemester. Warum haben Sie sich genau für diese Fachrichtung entschieden und was gefällt Ihnen an Ihrem Studium am Besten? 

Da ich sehr vielseitig interessiert bin, grauste es mir davor, mich nach dem Abitur auf eine bestimmte Richtung festzulegen, sodass ich mich zugegebenermaßen vom bekannten Versprechen „Mit Jura kann man später alles machen“ habe hinreißen lassen. Ich hatte den Eindruck, dass meine Affinität für gesellschaftliche und politische Themen sowie meine Freude am Einsatz von Sprache, am Formulieren und Argumentieren, im Jurastudium gut aufgehoben sind. Ich finde es schade, dass während des Studiums viele Dozentinnen und Dozenten betonen, dass Jura nichts mit „Weltverbesserung“ oder Gerechtigkeit zu tun hat, denn ich denke, dass man einen Abschluss in Jura durchaus dazu einsetzen kann, um Menschen zu helfen und auch das war auf jeden Fall eine wichtige Motivation für mich.

An meinem Studium gefällt mir, dass man das Geschehen um sich herum mit ganz anderen Augen wahrnimmt und politische Vorgänge viel besser einordnen und verstehen kann. Am meisten schätze ich aber am Jurastudium, dass es nicht so verschult ist wie andere Studiengänge, sodass man den Verlauf des Studiums weitgehend eigenverantwortlich gestalten kann. Ich habe diese Freiheit sehr genossen und dazu genutzt, um auch Dingen nachzugehen, die außerhalb des Lehrplanes liegen und mich einfach interessieren. Wenn ich die Ankündigung zu einem interessanten rechtsphilosophischen Grundlagenseminar oder einem rechtstheoretischen Kolloquium gesehen habe, habe ich mich in diese reingesetzt, auch wenn ich den Schein schon hatte. Ich habe aber auch gerne Seminare und Vorlesungen aus anderen Fakultäten als Gasthörerin besucht. Außerdem habe ich erst relativ spät im Studienverlauf beschlossen, dass ich gerne an einem Moot Court teilnehmen würde, und auch das war nach dem Schwerpunktstudium noch problemlos möglich. Darüber bin ich sehr froh, denn das war eine großartige Möglichkeit, die praktische Arbeit von Anwältinnen und Anwälten näher kennen zu lernen.

Was erwarten Sie von Ihrem späteren Beruf als Rechtsanwältin? Gibt es ein Fachgebiet, das Sie bereits jetzt besonders interessiert?

Da ich schon immer eine Leidenschaft für Kunst und Kunstgeschichte hatte, ist es mein Traum, meinen späteren Beruf damit zu verknüpfen und mich auf Kunstrecht zu spezialisieren. Haftungsfragen von Akteuren auf dem Kunstmarkt, beispielsweise für Fälschungen oder die falsche Bewertung eines Objekts, finde ich sehr spannend. Nachdem ich einige Male aushilfsweise bei einem Auktionshaus gearbeitet habe, könnte ich mir auch sehr gut vorstellen, als Juristin im Auktionswesen tätig zu sein.

Ganz besonders interessiert mich aber das Thema Raubkunst, also die rechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Kunstraub der Nationalsozialisten im Dritten Reich (aber auch anderen Kontexten) stellen. Ich fände es toll, die Rückerlangung enteigneter oder kriegsbedingt abhanden gekommener Kunst bzw. Entschädigungsansprüche für meine Mandanten durchsetzen zu können.

Wie wir bereits von Ihrer Teilnahme an unserer Podiumsdiskussion zur „Langen Nacht der Demokratie“ wissen, engagieren Sie sich neben Ihrem Studium auch in Sachen Polizeiaufgabengesetz. Gibt es noch weitere Themen, für die Sie sich persönlich einsetzen?

Mir liegt viel am Thema Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit, deswegen habe ich viel Freude an meinem Nebenjob bei der Universitätsfrauenbeauftragten der LMU.

Die Anwaltschaft befindet sich derzeit in einem Wandel. Das liegt insbesondere an der fortschreitenden Digitalisierung sowie an damit verbundenen veränderten Mandantenerwartungen, Industrie 4.0 und den Anforderungen der sogenannten Generation Y. Erleben Sie diese Veränderungen auch bereits an der Uni und falls ja, in welcher Form?

Leider kaum. Ich finde, die Chancen von Digitalisierung sollten auf jeden Fall auch an der Universität thematisiert werden. Ich denke da zum Beispiel an die Frage, ob es sinnvoll wäre, die Studierenden ihre Klausuren – auch des Ersten Juristischen Staatsexamens – am Laptop schreiben zu lassen. In Sachsen-Anhalt werden ja demnächst die Klausurenhefte im Zweiten Staatsexamen gegen Laptops ausgetauscht und die Umstellung für das Erste Examen soll wohl bald darauf folgen. In Hamburg wird das von der dortigen Landespolitik ebenfalls diskutiert. Ich finde es schade, dass eine solche Diskussion – meines Wissens nach – in Bayern überhaupt nicht stattfindet, denn ich befinde mich im Moment in der Vorbereitung auf das Erste Staatsexamen und sehe, wie häufig Kommilitoninnen und Kommilitonen mit einer Schiene am Handgelenk im Repetitorium oder in der Bibliothek erscheinen, weil das viele handschriftliche Klausurenschreiben zu einer Sehnenscheidenentzündung geführt hat.

Wie stellen Sie sich Ihren späteren Arbeitsplatz vor–insbesondere was das Arbeitszeitmodell sowie die Zusammenarbeit und Aufgabenteilung innerhalb der Kanzlei angeht?

Eine gute Work-Life-Balance ist mir persönlich schon wichtig, vor allem da ich auch später ungern darauf verzichten möchte, mich neben meinem Beruf politisch oder sozial zu engagieren.

Was die Aufgabenteilung innerhalb der Kanzlei angeht, kann ich nicht viel sagen, da ich mir dazu noch keine konkreten Gedanken gemacht habe. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich da im Moment ebenfalls viel wandelt, da (in Zukunft) mehr und mehr Prozesse nicht nur automatisiert, sondern möglicherweise auch outgesourct werden.

Technik hat die Anwaltschaft in den letzten 25 Jahren drastisch verändert. Dennoch wird sie nach wie vor sowohl als Risiko, als auch als Chance diskutiert. Wo denken Sie, wird Sie die Technik in Ihrem späteren Beruf unterstützen? Und bei welchen Aufgaben würden Sie eher auf die „alte Schule“ zurückgreifen?

Gerade im Hinblick auf die oben angesprochene Work-Life-Balance verspricht die Digitalisierung des Anwaltsberufs ja eine breitere Palette an alternativen Arbeitsmodellen. Wenn beispielsweise sämtliche Informationen und Unterlagen zu dem Fall eines Mandanten bzw. einer Mandantin in einer elektronischen Akte zusammengefasst und gespeichert werden, könnte dies das teilweise Arbeiten im Homeoffice möglich machen, wobei selbstverständlich für die Sicherheit der Software gesorgt werden muss.

Ich denke auch, dass digitale Kommunikationsmöglichkeiten wahrgenommen werden könnten und sollten, um mit der breiteren Öffentlichkeit in Kontakt zu treten und neue Mandanten zu akquirieren, zum Beispiel durch das Unterhalten einer Facebook-Präsenz oder das Anbieten einer Chat- oder Videoberatung für spezifische Zielgruppen. Das bedeutet zugleich, dass das persönliche Gespräch, wenn es mit der Anwältin oder dem Anwalt gesucht wird, umso mehr an Bedeutung gewinnt. Denn gerade diesen menschlichen Kontakt und das damit verbundene Vertrauensverhältnis können Anbieter von standardisierter Online-Beratung, welche eine schnelle Abwicklung von Problemen auf einem eng begrenzten Rechtsgebiet (etwa Fluggastrechten bei Ausfällen oder Verspätungen) ermöglichen, nicht bieten.

Was sollte ein Anwalt bzw. eine Anwältin von morgen Ihrer Meinung mitbringen? Und von welchen juristischen und nicht-juristischen Skills sprechen wir hier?

Aus dem eben Gesagten ergibt sich für mich, dass Anwälte bzw. Anwältinnen von morgen sich darauf besinnen müssen, die Beratung so mandantenorientiert wie möglich zu gestalten, d.h. deren Bedürfnisse genauestens herauszuarbeiten und darauf basierend individuell zugeschnittene und innovative Lösungen zu finden, da dies wohl das Kerngeschäft von Anwaltskanzleien – in Abgrenzung zu Legal Tech-Unternehmen – darstellen wird. Das erfordert eine unternehmerische Denkweise, ein gutes Einfühlungsvermögen und den Willen, sich auf neue Entwicklungen einzulassen und sich in Unbekanntes einzuarbeiten. Wobei das bestimmt auf jede Generation von Anwältinnen und Anwälten zutrifft.

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