BGH zur Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit in Kanzleiräumen

Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hat mit Urteil vom 24.10.2016 entschieden, dass es mit dem anwaltlichen Berufsrecht nicht zwingend unvereinbar ist, dass eine Rechtsanwaltskanzlei und eine Immobilienverwaltung in den gleichen Räumen und unter Nutzung einer Kommunikationsverbindung betrieben werden.

Mit Urteil vom 24.10.2016 hat der Bayerische Anwaltsgerichtshof entschieden, dass es mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar sein kann, dass ein Rechtsanwalt in den Kanzleiräumen einer Rechtsanwaltssozietät, deren namensgebender Sozius er ist, unter Nutzung der gleichen Kommunikationsverbindungen seine von ihm gleichfalls betriebene Immobilienverwaltung unterhält.

„Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hob den belehrenden Hinweis auf, da er im konkreten Fall den Betrieb einer Immobilienverwaltung in den Kanzleiräumlichkeiten als zulässig erachtete.“

 

Die Rechtsanwaltskammer München hatte einem Mitglied in diesem Zusammenhang einen belehrenden Hinweis erteilt. Der Betroffene betreibt mit seinem Sozius eine Rechtsanwaltskanzlei und unter der gleichen Adresse  auch eine Immobilienverwaltung. Beide sind unter demselben Telefonanschluss mit unterschiedlichen Nebenstellen erreichbar. Die Rechtsanwaltskammer München sah hierin einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 BRAO, da die Ausübung des Zweitberufs in den Kanzleiräumen die Gefahr berge, dass Grundpflichten eines Rechtsanwalts, v.a. die anwaltliche Schweigepflicht, verletzt werden.

ANWALTSGERICHTSHOF HEBT BELEHRENDEN HINWEIS AUF

Gegen diesen belehrenden Hinweis hatte der betroffene Kollege geklagt. Seiner Ansicht nach sei § 27 Abs. 1 BRAO nicht verletzt, da diese (allgemein gehaltene) Vorschrift allenfalls als Grundlage für die Mindestanforderungen an eine Kanzlei diene, welche im konkreten Fall gewahrt seien. Es bestehe zudem keine Gefährdung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, da die Tätigkeiten in einer Person erbracht würden und keine Dritten in die Bearbeitung miteinbezogen seien. Darüber hinaus ließen sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 59a BRAO keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine von dem Rechtsanwalt ausgeübte Nebentätigkeit getrennt von der Rechtsanwaltstätigkeit auszuüben sei. Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hob den belehrenden Hinweis auf, da er im konkreten Fall den Betrieb einer Immobilienverwaltung in den Kanzleiräumlichkeiten als zulässig erachtete. 

Der Antrag der Rechtsanwaltskammer München auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg [BGH, Beschluss vom 21.03.2017 – AnwZ (Brfg) 3/17]. Nach Auffassung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs, die vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde, birgt die Ausübung einer Immobilienverwaltung durch einen Rechtsanwalt in den Räumen seiner Rechtsanwaltskanzlei nicht die Gefahr der Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO, wenn die Tätigkeit in Personalunion erfolgt.

„Diese Gefahr bestehe jedoch nicht bei einer Personalunion zwischen dem Rechtsanwalt und dem Immobilienverwalter, da die Verschwiegenheitspflicht stets vorrangig sei.“

Ausweislich der Motive des Gesetzgebers sei bei der beruflichen Zusammenarbeit mit anderen Berufsträgern in einer Bürogemeinschaft sicherzustellen, dass die mit dem Rechtsanwalt in einem Büro tätigen Angehörigen anderer Berufe in gleicher Weise wie der Rechtsanwalt der Verschwiegenheitspflicht und den damit korrespondierenden Aussageverweigerungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfallen. Dies ziele aber ersichtlich auf die Gefahr ab, dass ein Angehöriger eines nicht sozietätsfähigen Berufes durch die räumliche Nähe zum Rechtsanwalt Kenntnis von dessen Berufsgeheimnissen erlangen und diese mangels eigener Verschwiegenheitspflicht preisgeben könnte. Diese Gefahr bestehe jedoch nicht bei einer Personalunion zwischen dem Rechtsanwalt und dem Immobilienverwalter, da die Verschwiegenheitspflicht stets vorrangig sei.

Keine Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht

Auch die Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahmeverbote nach § 97 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StPO erfordert nach Ansicht des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs und des Bundesgerichtshofs keine räumliche Trennung von Kanzlei und Immobilienverwaltung, da durch Durchsuchungs- oder Beschlagnahmemaßnahmen keine Gefährdung der Verschwiegenheit drohen könne: Gegenstände i.S.v. § 97 Abs. 1 StPO, die sich im Mitgewahrsam eines Rechtsanwalts in dessen Kanzleiräumen befinden, sind auch dann vor einem staatlichen Zugriff geschützt, wenn der nicht anwaltliche Sozius an ihnen unmittelbar Besitz hat. Der Schutz vor staatlichem Zugriff bestehe bei solchen Gewahrsamsverhältnissen unabhängig davon, ob es sich bei demjenigen, der neben dem Anwalt Besitz oder Mitbesitz an den betreffenden Gegenständen habe, um einen Sozius des Rechtsanwalts oder einen Berufsträger handele, der sich seinerseits auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 StPO berufen könne.

„Nach Auffassung des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs birgt die Ausübung einer Immobilienverwaltung durch einen Rechtsanwalt in den Räumen seiner Rechtsanwaltskanzlei nicht die Gefahr der Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht wenn die Tätigkeit in Personalunion erfolgt.“

Auch im strafprozessualen Schrifttum werde einhellig die Auffassung vertreten, dass für das Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 StPO der Mitgewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten genüge, soweit nicht der weitere Mitgewahrsam dem Beschuldigten zustehe. Eine darüber hinausgehende Begrenzung des Kreises der nichtanwaltlichen (Mit-)Gewahrsamsinhaber erfolge ebenfalls nicht. Greife aber das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 StPO im Fall eines Rechtsanwalts, der neben einem anderen in den Kanzleiräumen tätigen, selbst nicht zeugnisverweigerungsberechtigten Gewahrsamsinhaber Mitgewahrsam ausübe, so gelte das Beschlagnahmeverbot erst recht in dem Fall eines Rechtsanwalts, der Mit- oder Alleingewahrsam an den von einem Beschlagnahmeverbot betroffenen Gegenständen innehabe und zugleich in seinen Kanzleiräumen einen Beruf ausübe, der nicht zur Verweigerung des Zeugnisses berechtige.

Auch eine etwaige, im Hinblick auf die Immobilienverwaltung durchgeführte Telefonüberwachung begründe nach Ansicht des BGH nicht die Gefahr einer Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Erkenntnisse, die durch eine Ermittlungsmaßnahme erlangt werden, die sich nicht gegen den zeugnisverweigerungsberechtigten Rechtsanwalt richtet, über die dieser jedoch das Zeugnis verweigern dürfte, dürfen gemäß § 160a Abs.1 Satz 2  und 5 StPO nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind nach § 160a Abs. 1 Satz 3 und 5 StPO unverzüglich zu löschen. Damit dürfen auch keine Erkenntnisse verwendet werden, die aus einer sich gegen den Rechtsanwalt als Immobilienverwalter richtenden Telefonüberwachung erlangt werden, aber seine Tätigkeit als Rechtsanwalt betreffen und deshalb nach § 53 Abs. 1 StPO seinem  Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen.