Die Frage, welche ausländischen Rechtsanwaltsgesellschaften in Deutschland zuzulassen seien, war nach der Neuordnung der Bundesrechtsanwaltsordnung und der Aufnahme einer Regelung der Rechtsanwaltsgesellschaft in Form der GmbH als eine Möglichkeit der gemeinsamen Berufsausübung in die BRAO höchst streitig. Durch die nachfolgende Diskussion und die Weiterentwicklung des Anwaltsgesellschaftsrechts in Rechtsprechung und Lehre hat sich dann einiges geklärt. Europäische Gesellschaften können aufgrund der Niederlassungsfreiheit, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die auch deutsche Gesellschaften erfüllen müssen, um als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zu werden, eine Zulassung in Deutschland beantragen. Das folgt schon daraus, dass aus verfassungsrechtlichen und auch aus europarechtlichen Gründen eine Diskriminierung anderer europäischer Gesellschaften gegenüber deutschen Gesellschaften nicht zulässig ist. Damit stehen deutschen Rechtsanwälten alle europäischen Gesellschaftsformen für eine gemeinsame Berufsausübung zur Verfügung. Eine Ausnahme bildet hier die deutsche Kommanditgesellschaft, die aber aus anderen als berufsrechtlichen Gründen für die Erbringung von anwaltlichen Leistungen nicht zur Verfügung steht.
In der Mitgliederstatistik der Bundesrechtsanwaltskammer zeigt sich, dass die Attraktivität ausländischer Gesellschaften nach Einführung sowohl der GmbH wie der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nicht besonders hoch ist. Die letzte veröffentlichte Statistik weist fast 1000 GmbHs aus und über 2000 Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung, aber nur insgesamt 145 LLPs, die nach geltender Meinung wie Partnerschaftsgesellschaften zu behandeln sind. Andere ausländische Gesellschaftsformen erscheinen in ihr überhaupt nicht.
Die Zahl der zugelassenen LLPs war schon einmal höher. Sie ist dann abgesunken und steigt nun wieder an - wohl aufgrund des bevorstehenden und nun auch vollzogenen Brexit. Offenbar glauben bisher nur in England zugelassene LLPs aufgrund einer Zulassung auch in Deutschland, die Folgen eines No-Deal Brexit besser abfedern zu können.
Die in den Kommentaren und der Literatur umfangreich geführte Diskussion über die Zulässigkeit ausländischer Rechtsanwaltsgesellschaften für eine gemeinsame Berufsausübung in Deutschland hat danach, wie es scheint, letztlich nur akademischen Charakter. Sie zielt auch nicht zwingend auf konkrete Bedürfnisse in der Praxis ab, sondern entzündet sich an Fragen der Nachhaltigkeit, Kohärenz und Qualität unserer rechtlichen Regelung für Rechtsanwaltsgesellschaften in Deutschland. Die Gesetzeslage ist im Anwaltsgesellschaftsrecht nach wie vor erstaunlich unübersichtlich und ungeordnet. Diese soll auf europäische Gesellschaften, die den Anforderungen der Rechtsanwalts GmbH jedenfalls weitgehend entsprechen, in gleicher Weise angewandt werden, wie die Vorschriften im Wesentlichen unwidersprochen analog bei der Rechtsanwalts AG angewendet werden. Gleiches gilt für Gesellschaften aus den USA, wegen des mit Amerika abgeschlossenen Schifffahrts- und Freundschaftsvertrages aus den fünfziger Jahren und für Schweizer Gesellschaften aufgrund besonderer Vereinbarungen.
"Die Gesetzeslage ist im Anwaltsgesellschaftsrecht nach wie vor erstaunlich unübersichtlich..."
Gesellschaften aus dem sonstigen Ausland haben dagegen keinen Anspruch auf Zulassung. Für sie gelten weder die Niederlassungsfreiheit noch irgendwelche anderen völkerrechtlichen Vorschriften, die eine Gleichstellung mit deutschen Gesellschaften oder deren Zulassung aus anderen Gründen fordern. Hier werden in der allgemeinen Diskussion unterschiedliche Auffassungen vertreten - aufgrund der in Deutschland selbst nicht klaren Rechtslage. Wegen der offensichtlich restriktiven gesetzlichen Regelungen für deutsche Gesellschaften wird teilweise vertreten, dass diese Gesellschaften in Deutschland gar nicht zugelassen werden können. Teilweise sollen sie ohne Unterschied wie deutsche Gesellschaften behandelt werden. Es scheint insgesamt herrschende Meinung zu sein, dass Rechtsanwaltsgesellschaften für anwaltliche Tätigkeiten nach der BRAO und für rechtsbesorgende Tätigkeiten nach dem RDG einer besonderen Zulassung bedürfen.
Bisher war diese Frage, wie gesagt, weitgehend akademisch. Nun ist wieder Bewegung in die Diskussion dadurch gekommen, dass das Bundesjustizministerium seine Eckpunkte zur großen BRAO-Reform veröffentlicht hat. Dort wird im dritten Punkt vorgeschlagen, dass Berufsausübungsgesellschaften aus Drittstaaten, auch aus solchen, die nicht der Welthandelsorganisation angehören, Rechtsdienstleistungen sowohl im deutschen wie auch im europäischen Recht erbringen dürfen, wenn an ihnen wenigstens ein Rechtsanwalt, egal ob ein deutscher oder ein europäischer, beteiligt ist. Voraussetzung soll allerdings sein, wie auch bei deutschen Berufsausübungsgesellschaften, dass die Rechtsdienstleistung nur durch eine dafür befugte Person in Deutschland erbracht wird.
Damit wäre dann die schon oft geforderte Trennung der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes von dem jeweiligen Auftragnehmer, der sich verpflichtet die Rechtsdienstleistung zu erbringen, und der die jeweilige Rechtsdienstleistung konkret erbringenden Person, vollzogen. Jede Gesellschaft könnte letztlich anwaltliche und sonstige Rechtsdienstleistungen durch dazu in Deutschland befugte Personen erbringen, auch ohne selbst zugelassen zu sein. Man wird die Eckpunkte insgesamt wohl so lesen können, dass alle Gesellschaften, die auf die Berufsausübung durch Rechtsanwälte angelegt sind und im Wesentlichen dem entsprechen, was für deutsche Berufsausübungsgesellschaften gefordert wird, unabhängig von ihrer Herkunft in Deutschland zugelassen werden und damit postulationsfähig sein können.
Da das Bundesjustizministerium den deutschen Rechtsanwälten die Berufsausübung generell rechtsformunabhängig gestatten will, ist dieser Schritt nur konsequent. Natürlich lässt sich ein Berufsrecht für Anwälte denken, bei dem alle besonderen berufsrechtlichen Regelungen für Rechtsanwälte nur an die Person anknüpfen, die den Beruf ausübt und die Anwaltsdienstleistung erbringt. Das stößt aber angesichts der bisherigen Entwicklung in Deutschland, wo man den juristischen Personen auch die freie Berufswahl und die ungehinderte Berufsausübungsfreiheit gewähren will, auf erhebliche Schwierigkeiten. Welche Probleme bei einer konsequenten Anwendung des Berufsrechts auch gegenüber selbst zugelassenen Rechtsanwaltsgesellschaften entstehen, zeigt die niemals abgeflaute Kritik an den Regelungen der Anwalts-GmbH. Es liegt auf der Hand, dass sich die Schwierigkeiten vervielfachen, wenn die Zulassung auch für solche Gesellschaftsformen geöffnet wird, bei denen eine Existenz unabhängig vom Bestand der jeweiligen Gesellschafter wesensimmanent ist. Das gilt selbst für die durch die Satzung sehr personalistisch gestaltbare GmbH.
"Ob sich eine solche generelle Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarktes für jede in der Welt tätige Rechtsanwaltsgesellschaft mit dem EU Grundsatz „put the consumer first“ vereinbaren lässt, wirft dann doch Zweifel auf."
Bei ausländischen Gesellschaften aus Ländern außerhalb der EU wäre nicht einmal die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards bei der Gründung und Eintragung gesichert. Ob die Verpflichtung des hier die Rechtsdienstleistung erbringenden Anwalts ausreicht, um die Einhaltung des Berufsrechtes auch in der Gesellschaft zu sichern, die der eigentliche Auftragnehmer und Mandatsträger ist, erscheint doch recht ungewiss. Hinzu kommt, dass die Eckpunkte am Fremdbesitzverbot und der maßgeblichen Steuerung der Gesellschaft durch Rechtsanwälte oder jedenfalls der Berufsaufsicht durch eine einer Kammer unterliegende Person festhalten wollen. Das ist dann vielleicht doch ein zu großer Spagat. Man fragt sich, welches Bedürfnis besteht, Rechtsanwaltsgesellschaften aus Ländern in Deutschland zuzulassen, bei denen völlig ungewiss ist, ob sie den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine verantwortliche Gesellschaft genügen. Wenn es um europäische Gesellschaften oder ihnen gleichgestellte Gesellschaften geht, spielt diese Frage auf Grund der Dienst- und Niederlassungsfreiheit und der Geltung der europäischen Rechtsordnung keine Rolle. Soweit andere Staaten betroffen sind, gilt aber weiter die Gründungstheorie, die schon bei der Frage der Rechtsfähigkeit, noch mehr aber bei Haftungsfragen, die Anwendung des Rechtes des jeweiligen Heimatstaates notwendig macht. Solange hier weiter die Gründungstheorie angewendet wird, stellen sich erhebliche Fragen der Durchsetzbarkeit, nicht nur des Berufsrechts, gegenüber dem Auftraggeber der Rechtsbesorgung. Ob sich eine solche generelle Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarktes für jede in der Welt tätige Rechtsanwaltsgesellschaft mit dem EU-Grundsatz „put the consumer first“ vereinbaren lässt, wirft doch Zweifel auf.
Im Hinblick darauf, dass bei der anstehenden BRAO-Reform zunächst Fragen im Vordergrund stehen werden, die alle Gesellschaftsformen betreffen, scheint es noch zu früh zu sein, zu den Aussichten der Zulassung ausländischer, auf die Erbringung anwaltlicher Leistungen gerichteter, Gesellschaften in Deutschland etwas zu sagen. Solange an dem Grundsatz festgehalten wird, dass ausländische Gesellschaften die gleichen Anforderungen wie deutsche Gesellschaften zu erfüllen haben, dürfte dem deutschen Rechtssuchenden kein Nachteil entstehen, wenn auch Gesellschaften zugelassen werden, die nicht in der EU ansässig sind. Das gilt vor allem, wenn auch die Haftungsfragen in gleicher Weise geklärt sind, wie bei europäischen oder deutschen Gesellschaften. Je nachdem, ob und wie diese Fragen entschieden werden, ließe sich auch die Zulässigkeit der anwaltlichen Tätigkeit englischer Gesellschaften nach Ablauf der Übergangsfrist beurteilen. Der Vorteil der vom BMJV vorgesehenen generellen Öffnung wäre, dass Sonderregelungen mit Großbritannien, die schwierig zu erreichen zu sein scheinen, nicht nötig wären. Das wäre wegen der inzwischen engen Verzahnung mit britischen Gesellschaften in vielen Berufsausübungsgemeinschaften von Anwälten durchaus vorteilhaft. Andererseits sollte eine innereuropäische, konzise, dem Kohärenzgebot entsprechende, Regelung des Anwaltsgesellschaftsrechtes nicht durch Erwägungen behindert werden, die nur außereuropäische Gesellschaften betreffen.
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