Fremdkapitalbeteiligung - pro und contra

Ein Interview mit RA Dr. Alexander Siegmund und RA Dr. Frank Remmertz, Vorstandsmitglieder der RAK München

Ein Interview mit RA Dr. Alexander Siegmund und RA Dr. Frank Remmertz, Vorstandsmitglieder der RAK München

Das Fremdbesitzverbot für Anwaltskanzleien ist schon seit Jahren ein umstrittenes Thema. Es schließt bislang die Beteiligung von Fremdkapital an Rechtsanwaltsgesellschaften durch nicht-anwaltliche Investoren aus und soll vor allem die Unabhängigkeit des Anwalts schützen. Es wird argumentiert, dass die Erteilung unabhängigen Rechtsrats zu den Grundpfeilern des anwaltlichen Berufsbildes gehöre und die Qualität der Rechtsberatung sichere. In anderen Ländern Europas wurde dieses Fremdbeteiligungsverbot in den letzten Jahren erheblich gelockert. Diese so genannten „Alternative Business Structures“ sind vor allem in Großbritannien mittlerweile beliebt und haben die Ausübung des anwaltlichen Berufs dort in der Tat weit weniger beeinflusst als ursprünglich angenommen.

Deutschland hält an dem Fremdbeteiligungsverbot jedoch fest – auch in der aktuellen Situation, in der aufgrund der aufkommenden Zahl von Legal-Tech-Unternehmen der Ruf nach einer Modernisierung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts immer lauter wird, um den Legal-Tech-Markt auch für Rechtsanwälte leichter zugänglich zu machen. Es stellt neben Einschränkungen der Werbemöglichkeiten einen der wichtigsten Unterschiede zwischen Anwaltskanzleien und Legal-Tech-Unternehmen dar. Anwälte kritisieren, dass die Finanzierbarkeit von Legal-Tech-Ideen durch die Beteiligung von Investoren an der Unternehmung einfacher wäre und ihnen diese Art von Geschäft dadurch wesentlich erschwert würde.

Nicht zuletzt mit dem durch das Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz Ende August 2019 vorgelegten „Eckpunktepapier für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften“ wird die Frage einer Lockerung des Fremdbesitzverbots (erneut) aufgeworfen.

RA Dr. Frank Remmertz und RA Dr. Alexander Siegmund, beide im Vorstand der RAK München vertreten, stellen sich der Diskussion:

Halten Sie das Fremdbesitzverbot noch für zeitgemäß?

AS: Ich glaube, man muss die Frage anders stellen. Bei einem Verbot ist nicht danach zu fragen, ob es zeitgemäß ist, sondern danach, ob es gerechtfertigt ist. Die Frage nach der Rechtfertigung führt recht rasch zu der Frage nach dem Gemeinwohlbelang, der hinter dem Fremdbesitzverbot steht. Geschützt werden soll die anwaltliche Unabhängigkeit. Nicht Kapitalgeber sollen entscheiden, ob und wie ein Mandat geführt wird, sondern allein der Anwalt, der kraft seiner Ausbildung über die notwendige Rechtskenntnis verfügt und kraft seiner Zulassung dem anwaltlichen Berufsrecht sowie der Berufsaufsicht unterliegt. Der Rechtsstaat aber auch die Rechtsuchenden brauchen eine unabhängige und damit starke Anwaltschaft.

FR: Ich halte ein uneingeschränktes Verbot angesichts der Herausforderungen, die die Digitalisierung an die Anwaltschaft stellt, in der Tat nicht mehr für zeitgemäß. Es bestehen erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber nichtanwaltlichen Legal-Tech-Anbietern, die nicht an die strengen Regeln des anwaltlichen Berufsrechts gebunden sind und Kapitalgeber mit ins Boot nehmen dürfen. Dieses Ungleichgewicht wurde durch die BGH-Entscheidung in Sachen „wenigermiete.de“ noch weiter verstärkt, weil die Inkassoerlaubnis, auf die sich viele Legal-Tech-Unternehmen berufen, durch das Urteil erheblich ausgeweitet wurde. Wir sollten daher das anwaltliche Berufsrecht in einigen Punkten liberalisieren. Neben einer Lockerung des Verbots des Erfolgshonorars im niedrigschwelligen Bereich und einer Ausweitung der für eine Zusammenarbeit mit Legal-Tech-Anbietern interessanten sozietätsfähigen Berufe sollte auch über eine behutsame Lockerung des Fremdbesitzverbotes nachgedacht werden.

Es gibt Stimmen, die eine partielle Aufhebung des Fremdkapitalverbots fordern, z.B. um alternative Finanzierungswege durch Wagniskapital für solche Rechtsanwälte zu eröffnen, die im Bereich von Legal-Tech hohe Anfangsinvestitionen erbringen müssen. Was halten Sie davon?

AS: Vielleicht vorweg der Hinweis, dass hohe Anfangsinvestitionen bei jeder unternehmerischen Tätigkeit drohen. Diese können auch beispielsweise mit Hilfe von Darlehen gestemmt werden. Das hat in der Vergangenheit ganz gut geklappt. Aber selbst wenn dem im Bereich des Legal-Tech nicht so wäre, kann nicht ein verfassungsrechtlich zu schützender Gemeinwohlbelang geopfert werden, nur weil es sich um Investitionen in dem genannten Bereich handelt. Es gibt nur ein „Entweder-Oder“. Wenn das Verbot der Fremdkapitalbeteiligung fallen soll, dann aber für jede Art der Investition, so dass auch Supermarktketten in Anwaltskanzleien investieren können.

FR: Wir sollten diesen Vorschlag, wie er auch im Eckpunktepapier des BMJV vom August 2019 enthalten ist, nicht vorschnell ablehnen, sondern offen diskutieren. Ich möchte die Gefahren für die anwaltliche Unabhängigkeit dabei nicht herunterspielen, meine aber, dass dies lösbare Probleme sind. Herr Prof. Henssler hat in seinem DAV-Gesetzgebungsvorschlag von 2018 dazu bereits gute Vorschläge geliefert, die auch im Bereich Legal-Tech übertragbar sind. Neben Minderheitsbeteiligungen und einem Exit- bzw. Verkaufsverbot, könnten weitere gesetzliche Regelungen zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit verankert werden. Das gibt es zum Teil schon in anderen EU-Mitgliedstaaten. Ich meine, dass eine Öffnung für Fremdkapital möglich ist, ohne die Kernwerte unseres Berufsstands zu gefährden.

Wo sehen Sie die größte Gefahr bei einer – auch partiellen – Aufhebung des Fremdbesitzverbots?

AS: Ich könnte mir vorstellen, dass die Anwälte mit nicht-anwaltlichen Kapitalgebern in der Kanzlei zumindest partiell gezwungen sein werden, die Kontrolle über die Mandatsführung aus der Hand zu geben. Das könnte dann dazu führen, dass als Bedingung für die Gewährung der Investitionsspritze nur Mandate bearbeitet werden, die in einen Algorithmus passen und ausreichend lukrativ sind. Schon jetzt ist zu beobachten, dass Aufträge an Legal-Tech-Anbieter nicht angenommen oder schnell abgestoßen werden, wenn sie bestimmte Anforderungen nicht erfüllen. Im Übrigen befürchte ich, dass es bei der Aufhebung des Fremdkapitalverbots nicht bleiben wird. Sie müssen mindestens im gleichen Atemzug auch das Verbot der Gewinnbeteiligung Dritter aufheben. Mit einer fixen Verzinsung können nämlich nicht die gewünschten Investoren erreicht werden. Letztlich führt das zu einer nicht gerechtfertigten Kommerzialisierung des Anwaltsberufs.

FR: Veränderungen bieten immer auch neue Chancen. Es ist daher zu einseitig, bei einer Lockerung des Fremdbesitzverbots nur die Gefahren zu sehen. Eine Gefahr ist sicherlich, dass die Mandatsführung durch Dritte beeinflusst werden könnte. Ich meine aber, dass diese Gefahr durch eine Gesetzesreform gut in den Griff zu bekommen ist. Die anwaltliche Unabhängigkeit ist alltäglich auch anderen Gefahren ausgesetzt, denken wir nur an die wirtschaftliche Abhängigkeit von einigen wenigen, aber existenzsichernden Mandaten. Auch bei der Reform der Syndikusrechtsanwälte haben wir – trotz anfänglicher Bedenken im Hinblick auf die anwaltliche Unabhängigkeit – eine gute Lösung durch eine Reform der BRAO gefunden. Wir dürfen bei einer Reform die Chancen für die Anwaltschaft nicht vergessen. Ziel muss sein, die Wettbewerbsnachteile der Anwaltschaft durch ein zu strenges Berufsrecht zu beseitigen. Eine Lockerung des Verbots kann dazu beitragen, ebenfalls wie andere Legal-Tech-Start-ups größere Summen in Legal-Tech-Strategien zu investieren und so die Wettbewerbsfähigkeit der Anwaltschaft im digitalen Zeitalter zu erhalten.