Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 19.05.2020 hat nach den Vorstandswahlen die konstituierende Vorstandssitzung mit der Neuwahl des Präsidiums stattgefunden. Nach sechsjähriger Tätigkeit stand ich für eine Wahl nicht mehr zur Verfügung.

Unter meiner Federführung wurde aus der Nothilfe der Unterstützungsfonds. Hier wurde die Möglichkeit geschaffen, neben finanzieller Hilfe u.a. auch Beratung, Mentoring und die Vermittlung von Beratung anzubieten sowie Projekte, zum Beispiel zur Betreuung von Kindern von Mitgliedern zu unterstützen.

Daneben war ich unter anderem für Gebührenrecht zuständig. Fast unbemerkt von Vielen kommt ein Regierungsentwurf zur „Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht“ daher, der – anstatt eine eigene Gebührenordnung für Inkassounternehmen einzuführen – unsere RVG – Gebühren nicht unerheblich beschneidet! So soll bei der Einziehung unbestrittener Forderungen bei der Geschäftsgebühr die Kappungsgrenze nur 1,0 betragen. In „einfachen Fällen“ soll nur eine 0,5 Geschäftsgebühr gefordert werden können. Ein einfacher Fall liegt nach dem Entwurf in der Regel dann vor, wenn die Forderung auf erste Zahlungsaufforderung hin beglichen wird. Wohlgemerkt: es wird hier also nicht mehr auf die Kriterien des § 14 RVG abgestellt! Ein Systembruch. Dies gilt es zu verhindern, genauso wie die geplante neue Gebühr bei einem Gegenstandswert von bis zu EUR 50,00 bei unbestrittenen Forderungen in Höhe von EUR 30,00 statt bisher EUR 45,00 und die Absenkung der Einigungsgebühr auf 0,7 bei Ratenzahlungsvereinbarung und anderes Unerfreuliches mehr.
Anstatt dass endlich entsprechend dem Forderungskatalog der BRAK und des DAV, der bereits am 16.04.2018, also vor über zwei Jahren (!) der damaligen Bundesjustizministerin überreicht wurde, auf die mehr als berechtigten Forderungen der Anwaltschaft eingegangen und ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgelegt wird, werden unsere Gebühren sogar aus Gründen des Verbraucherschutzes gekürzt! Dabei stellt sich freilich die Frage, ob jemand schutzbedürftig ist, der einfach eine Forderung nicht begleichen will oder nicht kann, etwa da er etwas bestellt hat, ohne zur Zahlung des Kaufpreises in der Lage zu sein.

Der RVG – Ausschuss der BRAK, dem ich angehöre, bereitet derzeit zusammen mit den Ausschüssen Gewerblicher Rechtsschutz und RDG eine entsprechende Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vor. Ob aufgrund dessen noch viel geändert wird bleibt abzuwarten. Ich bin da eher skeptisch.

Wie Sie sehen, gibt es auch außerhalb des Präsidiums viel zu tun. Dem neuen Präsidium wünsche ich gutes Gelingen und eine glückliche Hand für die anstehenden Aufgaben! Dem alten Präsidium danke ich für die kollegiale und angenehme Zusammenarbeit, der Geschäftsführung und den Mitarbeitern für ihren großen Einsatz!

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Gabriele Loewenfeld
Rechtsanwältin
Mitglied des Vorstands

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Rechtsanwaltskammer ist wie ein Einfamilienhaus mit Garten. Am Tag vor Fronleichnam schneidet man die Hecke, damit es am Feiertag schön ist. Am Feiertag selbst geht dann die Waschmaschine kaputt.

Seit 2014 (und bis Mai diesen Jahres) überblickte ich als Vizepräsident in etwa, was von der Kammer erwartet wurde. Sich überstürzend musste sie sich neben den althergebrachten Aufgaben u.a. auseinandersetzen mit der Neuschöpfung des verkammerten Berufs des Syndikusrechtsanwalts, der Schaffung des beA, umfangreichen Neuregelungen zum Datenschutzrecht und der Erweiterung der Kompetenz für die Geldwäscheaufsicht über manche Kolleginnen und Kollegen.
Letzteres ist besonders bemerkenswert, da hier die Kammer nicht (wie sonst immer) in mittelbarer Staatsverwaltung tätig wird, sondern in einer Art Auftragsverwaltung. Hier regelt also nicht die Anwaltschaft ihre Dinge selbst, überprüft durch die eigene Gerichtsbarkeit. Im Bereich der Geldwäsche geschieht das Verwaltungshandeln nun verstärkt eingebunden in den staatsunmittelbaren Verwaltungsapparat mit entsprechenden Mitteilungs- und Berichtspflichten, folgerichtig überprüft durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es ist Mode geworden, alle möglichen Vorgänge als disruptiv zu bezeichnen. Die Konstruktion der Geldwäscheaufsicht in ihrer aktuellen Durchführung hätte eine solche Würdigung verdient, wenigstens ein Paradigmenwechsel fand statt.

Hier und heute ist zu diskutieren, wie das anwaltliche Gesellschaftsrecht fortzuentwickeln ist. Die damit zusammenhängenden Themen sind schwierig, erörtert werden sie oftmals zu stark aus dem jeweils eigenen weltanschaulichen Blickwinkel heraus, ohne das im Mittelpunkt stehende Detail in allen Richtungen zu durchleuchten. Dieses Heft will einen Überblick geben über den Stand der gesetzgeberischen Entwicklungen und en passant den einen oder anderen Konfliktpunkt beleuchten.

Mir wäre es ein Anliegen, dass die Diskussion anfängt gem. dem Vorschlag von Simon Sinek: „Start with Why“, frei übersetzt mit „Wozu das Alles“. Das wiederum scheint mir hinreichend klar, als Derivat der Menschenwürde überraschend simpel und als Wegweiser für die recht politische Diskussion um das anwaltliche Gesellschaftsrecht umso mehr geeignet:
Die Rechtsanwaltschaft hat die Aufgabe, den Bürger wenigstens näherungsweise in den Stand der Waffengleichheit mit dem Staat zu versetzen. Wegen des staatlichen Gewaltmonopols hat sie dem Bürger die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie er in den öffentlich bestimmten Wegen der Konfliktlösung zwischen Bürgern seine Sache voranbringen kann. § 43a BRAO fasst die Grundvoraussetzungen dafür zusammen. Das Gesellschaftsrecht tangiert das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen und die Pflicht zur Verschwiegenheit in besonderem Maße.
Wenn man sich dessen wirklich bewusst ist, kann es dahinstehen, ob Gesellschaften zwischen Rechtsanwälten und Maklern, Handwerkern oder Bauern möglich sind. Wenn derartige gesellschaftsrechtlichen Bindungen möglich sein sollen, muss jedenfalls die Kommunikation zwischen Bürger und Anwalt und der Zugriff auf die beim Rechtsanwalt vorhandenen Daten umfassend geschützt bleiben. Auch mögliche Interessenwiderstreite der verschiedenen Kunden der diversen Gesellschafter können nicht auf dem Altar gesellschaftsrechtlicher Freiheit geopfert werden. Jede Öffnung des Gesellschaftsrechts im Großen wird daher flankiert sein müssen von unendlich vielen Regelungen im Kleinen, etwa detaillierten Vorgaben zur TKÜ, Regelungen zur Beschlagnahme, schärferen Umgrenzungen des Schweigerechts der Mitarbeiter, notwendigen Chinese-Walls in der EDV und vieles andere mehr.

Es werden sich wohl nur die Überschriften ändern können, nicht die Inhalte.
    
Dr. Thomas Kuhn
Rechtsanwalt
Mitglied des Vorstands