Interview mit Mitgliedern der 7. Satzungsversammlung

Rechtsanwältin Claudia Krafft, LL.M., stv. Geschäftsführerin der RAK München

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer (Wieder-)Wahl zur Satzungsversammlung! Was haben Sie sich für die kommende Amtszeit vorgenommen?

Rechtsanwältin Anne Riethmüller: Danke schön, ich freue mich sehr darüber, ein weiteres Mal dabei sein zu dürfen. Mein Ziel für die nächste Legislatur ist, die Fachanwaltschaft für Opferrechte noch einmal auf den Plan zu bringen. Meiner Meinung nach besteht ein hoher Bedarf für diese Fachanwaltschaft bei den Betroffenen, und die Anwaltschaft sollte sich dieses wichtige Aufgabenfeld nicht von anderen, nichtanwaltlichen Beratern und Unterstützern aus der Hand nehmen lassen. Ich hoffe, dass wir die Satzungsversammlung davon überzeugen können, dass es richtig und gut wäre, diese neue Fachanwaltschaft einzuführen.

Rechtsanwalt Dr. Wieland Horn: Für mich steht im Vordergrund das erneute Engagement in den Ausschüssen 3 (Geld, Vermögensinteressen, Honorar) und 4 (grenzüberschreitender Rechtsverkehr).

Hier gilt es zum einen, erneut zu versuchen, präzisere Regelungen zum Umgang mit Fremdgeld in die BORA zu bringen, nachdem es - anders als in anderen Ländern (s. Horn in AnwBl. 2017, 604 ff.) - keine Kontrollmöglichkeiten gibt, nur ein disziplinarrechtliches Nachtarocken, wenn mit Fremdgeld lax umgegangen oder es gar veruntreut wird; das hilft aber den Mandanten nicht. Demgegenüber sind nach dem Geldwäschegesetz Kontrollen durch die Kammern möglich. Das ist ein Widersrpruch.

Zum anderen steht die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben sowie die bessere Einordnung international tätiger Anwaltsgesellschaften an, dies vor allem, wenn der Brexit kommt.

Außerdem will ich mich erneut für den Fachanwalt für Opferrecht stark machen, der in der letzten Amtsperiode an nur zwei Stimmen gescheitert ist. Die Fachanwaltschaften müssen sich an den Bedürfnissen der Mandanten orientieren; angezeigt sind Fachanwaltschaften zu Querschnittsmaterien nach dem Motto: "my speciality is, what my client needs".

Die Wahlen zur 7. Satzungsversammlung wurden erstmals elektronisch durchgeführt. Die Wahlbeteiligung im Kammerbezirk betrug 9,65 %. Auch in anderen Kammerbezirken lag die Wahlbeteiligung nur geringfügig höher, in einigen Fällen sogar darunter. Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Kammermitglieder für die Arbeit der Satzungsversammlung als ihre Interessenvertretung zu begeistern?

Rechtsanwalt Dr. Wieland Horn: Die elektronische Wahl zur Satzungsversammlung war nach Reaktionen, die ich erhalten habe, nicht einfach. Es war aufwendig und erforderte Geschick zu wählen. Da wurde oft gar nicht erst gewählt. Das ist schade.

In der Sache ist es in meinen Augen wichtig, die Kollegenschaft laufend über die Arbeit in der Satzungsversammlung zu unterrichten und Anregungen aufzunehmen. Auch wäre es angezeigt, in der Kammerversammlung jeweils Bericht zu erstatten, insbesondere heikle Themen aus der Satzungsversammlung anzusprechen und ein Feedback einzufordern. Es ist ein Unding, dass in der letzten Kammerversammlung ausschließlich und zwei Stunden lang über das Seehaus diskutiert wurde, zu den Problemen des Berufsrechts und der anstehenden Reform der BRAO aber überhaupt nicht.

Rechtsanwältin Anne Riethmüller: Ich denke, dass die niedrige Wahlbeteiligung darauf zurückzuführen ist, dass viele KollegInnen gar nicht wissen, dass es die Satzungsversammlung gibt, wie sie sich zusammensetzt, und wofür sie da ist. Wir müssten viel mehr und viel besser über die Arbeit der Satzungsversammlung berichten, nicht nur in den Medien der BRAK und  unserer eigenen Kammer, sondern auch z. B. in den Anwaltvereinen. Ich habe mir daher vorgenommen, künftig wieder häufiger in meinem Verein zu berichten und zur Diskussion einzuladen.

Welche berufsrechtlichen Herausforderungen sehen Sie für die Anwaltschaft in nächster Zukunft? Ist sie dafür bereits ausreichend gewappnet?

Rechtsanwältin Anne Riethmüller: Die Anforderungen an die Anwaltschaft im Zusammenhang mit dem Datenschutz einerseits und den Pflichten nach dem Geldwäschegesetz andererseits sind sicherlich eine große Herausforderung – sowohl berufsrechtlich als auch ganz praktisch. Da wird durch die Satzungsversammlung einiges zu tun sein, um noch mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Kolleginnen und Kollegen zu schaffen.

Rechtsanwalt Dr. Wieland Horn: Primäre Herausforderung ist die Digitalisierung, nicht nur für uns selbst im Büro und im Umgang mit Behörden und Gerichten, sondern vor allem durch das Aufkommen von Rechtsberatung und Rechtsverfolgung über Anbieter im Internet und außerhalb des RDG, dies auch unter dem Aspekt wesentlich günstigerer Tarife oder auf Erfolgsbasis (s. dazu jüngst den Artikel in SPIEGEL Online zum Computeranwalt). Die Digitalisierung zwingt, zwischen Routinearbeiten und der anspruchsvollen Arbeit in schwierigeren Fällen zu differenzieren und Flagge zu zeigen (s. Ewer im Editorial des NJW-Heftes Nr. 20/2019 zum Deutschen Anwalstag 2019).

Andere Themen stehen auf der Agenda zur Reform der BRAO, für die die Satzungsversammlung nicht zuständig ist, hier vor allem das anwaltiche Gesellschaftsrecht, dem dann die BORA angepasst werden muss.

Die Satzungsversammlung ist das sog. Parlament der Rechtsanwaltschaft. Ist die Rolle, die der Gesetzgeber der Satzungsversammlung mit Ausgestaltung der Satzungskompetenz in § 59b BRAO zugewiesen hat, ausreichend, um die Interessen der Anwaltschaft im Bereich Berufsrecht und Fachanwaltschaften wahren zu können?

Rechtsanwalt Dr. Wieland Horn: Da die Satzungsversammlung nur für die BORA und die FAO zuständig ist, erscheint mir die Titulierung als Parlament der Anwaltschaft zu hoch gegriffen. Die Satzungsversammlung müsste Empfehlungen an den Gesetzgeber verabschieden können, wie etwa der Deutsche Juristentag das tut, in diesem Sinne also rechtspolitisch tätig werden und generell das Dikussionsforum der Anwaltschaft sein, dies vor allem auch angesichts der mehrfachen Entscheidungen des BVerfG zugunsten von Kollegen und Kolleginnen, im Schnitt der letzten 25 Jahre mit fast einer Entscheidung pro Jahr (s. die Aufschlüsselung in meinen Beitrag im Januar/Februar-Heft der Mitteilungen des Münchner Anwaltvereins); das gibt es bei keinem anderen Beruf und macht Schwächen des anwaltlichen Berufsrechts deutlich.

Rechtsanwältin Anne Riethmüller: Es gibt durchaus ein paar Themen, für die die Satzungsversammlung keine Kompetenz hat, sie aber eigentlich bräuchte. Ein Beispiel betrifft die Ausgestaltung der theoretischen und praktischen Anforderungen für die Erlangung einer Fachanwaltschaft. Ich würde es begrüßen, wenn die Satzungsversammlung die Satzungskompetenz dafür bekäme, bundesweit einheitliche Regeln für die Fachanwaltsklausuren einzuführen und dafür zugunsten der Kolleginnen und Kollegen mehr Flexibilität bei der Ersetzung von fehlenden praktischen Fällen zu schaffen.