Frau Dr. Schmidt, Sie sind seit 24. September 2018 Präsidentin des Landgerichts München I. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Amt! Was waren Ihre ersten Aufgaben als neue Präsidentin?
Vielen Dank für den Glückwunsch! Ich habe es als große Ehre, aber auch als immense Herausforderung empfunden, die Leitung des größten bayerischen Landgerichts, an dem ich während meines Berufslebens schon mehrfach, insgesamt über 17 Jahre, in verschiedenen Funktionen tätig war, übernehmen zu dürfen. Wünsche für eine glückliche Amtsführung kann ich wahrlich gut gebrauchen! Der Start im letzten Herbst war durchaus nicht ganz einfach. Aber ich bin ganz außerordentlich dankbar, dass der angedachte Umzug von Zivilkammern aus dem Justizpalast nach Ramersdorf rasch vom Tisch war; auch die RAK München hatte sich ja klar dagegen positioniert.
Nach meinem Amtsantritt habe ich mich natürlich sofort auf den Weg gemacht in die verschiedenen Häuser, auf die das Landgericht bereits verteilt ist, um rasch möglichst viele der Kolleginnen und Kollegen persönlich kennenzulernen. Seit meiner letzten Tätigkeit beim Landgericht München I sind immerhin zehn Jahre vergangen, in der Zwischenzeit gab es viele personelle Veränderungen. Aber der enge persönliche Kontakt mit den vielen hochmotivierten Leuten macht wirklich großen Spaß. Und genau da sehe ich auch meine Hauptaufgabe in der Zukunft: eine ständige und intensive Pflege des Kontakts mit den Kolleginnen und Kollegen, um alle möglichst passgenau einsetzen zu können.
Was sehen Sie als die größten Herausforderungen, denen sich die Justiz in den nächsten Jahren stellen muss?
Ein ganz wichtiges Zukunftsthema ist natürlich die Digitalisierung der Justiz. Der elektronische Rechtsverkehr hat bereits Einzug gehalten und er muss weiter voranschreiten. Gerade führen wir am Gericht die zweite Stufe ein, d. h., elektronisch eingehende Nachrichten sollen nunmehr auch elektronisch versandt und weitergeleitet, insbesondere förmlich zugestellt werden. Dies bedingt kurzfristig einen großen Schulungsbedarf für die Serviceeinheiten – eine logistische Herausforderung, der wir uns aber gerne stellen. In der Digitalisierung liegt die Zukunft, auch bei Gericht. Man muss nur darauf achten, dass dabei Schritt für Schritt und mit großer Sorgfalt vorgegangen wird. Außerdem ist bei jedem Gericht der Personaleinsatz und die Personalverteilung das zentrale Dauerthema, gute Arbeit für die rechtssuchende Bevölkerung kann nur geleistet werden, wenn genügend Stellen vorhanden sind und die richtigen Leute auch an der richtigen Stelle eingesetzt sind. Leider ist die Situation nicht zufriedenstellend. Den allergrößten Personalmangel haben wir derzeit im nichtrichterlichen Bereich, uns fehlen Rechtspfleger, Wachtmeister und vor allem auch Geschäftsstellenbedienstete, da ist der Fehlbestand ganz besonders groß. In einer teuren Großstadt wie München ist es extrem schwierig, qualifizierte Kräfte für den Justizdienst zu finden. Die Bezahlung steht in keinem ausreichenden Verhältnis.
Was hat Sie dazu bewegt, einen juristischen Berufsweg einzuschlagen? Gab es ursprünglich andere Pläne?
Ich komme aus einer Juristenfamilie und ich habe immer schon gerne mit meinem heißgeliebten Vater über rechtliche Fragen diskutiert. Gerade während meines Studiums hatten wir lebhafte Gespräche. Mein Vater war am Bundesfinanzhof und wies immer vorsichtig auf die Bedeutung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung hin, während mir als junge Studentin die Rechtsmeinung charismatischer Professoren im Vergleich zu der von alten Herren geprägten Judikation vorzugswürdig erschien. Nach dem Abitur hatte ich allerdings tatsächlich zunächst mit dem Gedanken gespielt, Musik zu studieren. Mein Vater riet mir aber ab und hatte sicherlich recht. Ich wäre vermutlich nur eine drittklassige Musikerin geworden. Mit der Juristerei bin ich dagegen dann doch ganz gut zu Rande gekommen.
Der unangenehmste Job oder das gravierendste Erlebnis in Ihrer beruflichen Laufbahn war…
Unangenehme Erfahrungen gehören zu jedem Berufsleben dazu. Das Gute daran ist, dass man einerseits viel aus solchen Erfahrungen lernt und andererseits die unangenehmen Situationen auch wieder vergisst. Nicht vergessen habe ich aber z. B. als ich von einem Vorgesetzten angeschrien worden bin, das hat mich sehr getroffen. Und ebenfalls nicht vergessen habe ich auch meinen allerersten peinlichen Auftritt als junge Staatsanwältin vor dem Amtsgericht Starnberg: Nach einer Beweisaufnahme, die erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten ergeben hatte, sollte ich plädieren – und wusste einfach nicht, was zu beantragen war. Dankenswerterweise half mir der altgediente und erfahrene Amtsrichter auf die Sprünge…
Wie starten Sie in den Tag? Gibt es morgendliche Rituale? Und wie dürfen wir uns Ihren typischen Tagesablauf als Präsidentin des Landgerichts München I vorstellen?
Morgens passiert nicht viel. Ich trinke Tee, esse ein bisschen Obst und mache mich dann schnellstmöglich auf den Weg ins Büro. Einen typischen Tagesablauf gibt es nicht, dazu sind die Aufgaben zu vielfältig. Jeder Tag ist spannend und bringt neue Herausforderungen. Eines kann man aber sagen: Die Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen steht ganz klar im Vordergrund, der Gesprächsbedarf bei einem Gericht mit ca. 500 Bediensteten ist enorm. Reden, zuhören, überlegen und dann die Weichen für hoffentlich richtige Entscheidungen stellen. Zum Glück muss ich die allermeisten Entscheidungen nicht alleine treffen. Ich habe viele Leute an meiner Seite, insbesondere einen genialen Vizepräsidenten, eine sehr versierte Verwaltungsabteilung, ein hochqualifiziertes und verantwortungsbewusstes Präsidium und viele hervorragende Richterinnen und Richter, die neben ihrer eigentlichen Aufgabe – Recht zu sprechen – noch zusätzlich Verwaltungsaufgaben übernehmen. In einem solchen Team macht die Arbeit wirklich Spaß.
Wie finden Sie Ihren persönlichen Ausgleich zum Berufsalltag?
Entspannte Abende zu Hause mit Mann und beiden Töchtern schätze ich sehr: gemeinsam auf die Schnelle etwas kochen und dann eine englische oder amerikanische Gerichts-, Anwalts- oder Krimiserie anschauen, zur Zeit "Judge John Deed" oder "Judge Advocate General". Ich gehe auch gerne ins Theater, vor allem in die Oper. Am Wochenende versuche ich im Winter, aber auch im Sommer, ab und an in die Berge zu kommen. Skifahren ist meine große Leidenschaft. Vor ein paar Jahren habe ich meine Liebe zum Tiefschnee entdeckt. Und das Nonplusultra ist: Heli-Skifahren, am besten in Kanada. Reisen ist überhaupt meine größte Leidenschaft. Ich genieße die durchaus zeitaufwändige Planung von individuellen Fernreisen. Letztes Jahr waren wir etwa in Ladakh, hoch oben im Himalaya. Und im Herbst ging es nach Afrika, Sudan und Simbabwe. Im Sudan waren wir die einzigen Touristen weit und breit und hatten die vielen Pyramiden ganz für uns allein, ein einmaliges Erlebnis.
Das Thema dieser Ausgabe der Mitteilungen ist die juristische Ausbildung. Sie haben lange Zeit das Landesjustizprüfungsamt geleitet. Überkommt Sie da etwas Wehmut?
Ja, wahrlich große Wehmut! Ich vermisse vor allem die hochqualifizierten und liebenswürdigen Kolleginnen und Kollegen dort, der Abschied von ihnen ist mir sehr schwergefallen. Aber auch von der Aufgabe habe ich mich nur höchst ungern getrennt, die Ausbildung der jungen Juristinnen und Juristen und auch das Prüfungswesen ist mir in den letzten Jahren sehr ans Herz gewachsen. Die Juristenausbildung steht vor großen Herausforderungen, sie muss sich mit Zukunftsthemen befassen, um attraktiv zu bleiben, sie muss sicherstellen, dass die angehenden Juristinnen und Juristen auch künftig die erforderlichen Qualifikationen für eine sich rasch verändernde Rechtswirklichkeit erwerben. Ich musste eine ganze Reihe spannender Zukunftsprojekte zurücklassen. Ganz besonders bedauere ich, dass ich die Digitalisierung der juristischen Staatsprüfungen nicht mehr begleiten kann. Die in allen Lebensbereichen rasant fortschreitende Digitalisierung kann vor dem staatlichen Prüfungswesen nicht haltmachen. In einer Staatsverwaltung, die auf elektronische Akte und elektronischen Rechtsverkehr setzt, müssen auf Dauer auch die dem Berufseinstieg vorgeschalteten Prüfungen elektronisch abgewickelt werden. Von den Studierenden wird dies zu Recht immer nachdrücklicher eingefordert. Deshalb haben wir in meiner Zeit als Prüfungsamtsleiterin dieses besonders herausfordernde Projekt der IT-Unterstützung angestoßen und dank eines ungemein engagierten Kollegen schon gut vorangebracht. Ich hoffe sehr, dass meine Nachfolgerin im Amt von allen Seiten die notwendige Unterstützung bei der konkreten Planung und Organisation für dieses überaus wichtige Vorhaben erhält.
Bildquellen: iStock/Thinkstock