Modernisierung in der Berufsbildung

Rechtsanwältin Stefanie Fremuth, stv. Geschäftsführerin der RAK München

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat zu Beginn des Jahres 2019 den Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung veröffentlicht. Ziel der Bundesregierung ist es, mit dieser Neuregelung die duale berufliche Bildung in Deutschland zu modernisieren und zu stärken.

Es sollen Verfahrenserleichterungen für Auszubildende geschaffen, die Flexibilität in der Zusammenarbeit zuständiger Stellen erweitert und die Verfahren modernisiert werden. So ist beabsichtigt, auf aktuelle Trends wie mangelndes Ausbildungsinteresse, den Rückgang der Beteiligung – v. a. von sehr kleinen Betrieben – an der dualen Berufsausbildung sowie die Veränderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung zu reagieren. Auch soll auf diese Art und Weise dem Rückgang der ehrenamtlich tätigen Prüferinnen und Prüfer entgegengewirkt werden.

Die geplanten Änderungen sind umfangreich, auf folgende Punkte wird daher exemplarisch hingewiesen:

  • Mindestvergütung, § 17 BBiG n. F.
    Im Referentenentwurf wird eine Mindestvergütung für Auszubildende festgeschrieben, deren Höhe sich am monatlichen Bedarf nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG orientiert. Im ersten Ausbildungsjahr ist derzeit eine Vergütung i. H. v. mind. 504,00 Euro vorgesehen.
  • Teilzeitberufsausbildung, § 7a BBiG n. F.
    Die bereits bestehenden Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung sollen erweitert und vereinfacht werden, u. a. durch das Entfallen des Erfordernisses eines „berechtigten Interesses“. Die Dauer der Berufsausbildung in Teilzeit wird auf höchstens das Anderthalbfache der Dauer, die in der Ausbildungsverordnung für die betreffende Berufsausbildung in Vollzeit festgelegt ist, begrenzt. Auch hier wird eine Regelung zur Mindestvergütung aufgenommen.
  • Prüfungsausschuss, Prüferdelegation, § 39 BBiG n. F.
    Nach der vorgesehenen Regelung ist der Prüfungsausschuss primär für die Durchführung der Prüfung zuständig, muss nach dem Entwurf jedoch künftig nicht mehr zwingend alle Prüfungen selbst abnehmen. Zwar könnte der Prüfungsausschuss – wie bislang – die gesamte Abschlussprüfung selbst abnehmen. Es würde jedoch alternativ die Möglichkeit bestehen, die Abnahme der Prüfungsleistungen ganz oder zum Teil auf eine Prüfungsdelegation zu übertragen, die die jeweiligen Prüfungsleistungen nun auch abschließend bewerten kann. Die bisher bereits bestehende Möglichkeit der gutachterlichen Stellungnahme Dritter bleibt bestehen.
  • Berufliche Fortbildung
    Der Referentenentwurf sieht eine vollständige Neufassung der „Beruflichen Fortbildung“ vor. Es wird zwischen der höherqualifizierenden Berufsausbildung (bisherige Aufstiegsfortbildung) und Anpassungsfortbildung differenziert. Ziel ist die Aufwertung und Stärkung als höherqualifizierende Berufsausbildung.
  • Fortbildungsordnungen der höherqualifizierenden Berufsbildung, § 53ff. BBiG n. F.
    Künftig sollen die Stufen der höherqualifizierenden Berufsbildung vereinheitlicht werden:
    -   Berufsspezialist und Berufsspezialistin, § 53b BBiG n. F. 
    -   Bachelor, § 53c BBiG n. F. 
    -   Berufsmaster, § 53d BBiG n. F.
    In § 53a Abs. 2 BBiG n. F. ist geregelt, dass jede Fortbildungsordnung der höherqualifizierenden Berufsbildung zumindest auf den Abschluss der zweiten Fortbildungsstufe hinführen muss, um Aufstiegschancen jenseits der ersten Stufe sicherzustellen.
  • Fortbildungsprüfungsregelungen der zuständigen Stellen, § 54 BBiG n. F.
    Die Regelungen zu den Fortbildungsprüfungsregelungen der zuständigen Stellen gem. § 54 BBiG a. F. bleiben in § 54 Abs. 1 und 2 BBiG n. F. erhalten. Neu regelt § 54 Abs. 3 BBiG n. F. die Voraussetzungen für die Vergabe von Abschlussbezeichnungen der höherqualifizierenden Berufsbildung durch eine Fortbildungsprüfungsregelung der zuständigen Stellen. Die Vergabe einer Abschlussbezeichnung nach § 54 Abs. 3 BBiG n. F. setzt demnach u. a. die Bestätigung der obersten Landesbehörde voraus, dass die Fortbildungsprüfungsregelungen die Zulassungsvoraussetzungen für die jeweilige Prüfung erfüllen.

Die Rechtsanwaltskammer München hat zu den beabsichtigten Änderungen Stellung genommen und begrüßt eine Vielzahl davon. Gerade die Öffnung der Teilzeitberufsausbildung für einen weiteren Kreis an Auszubildenden (§ 7a BBiG n. F.) erscheint zeitgemäß.

Die Vergütungsempfehlungen der Rechtsanwaltskammer München für Auszubildende zum/zur Rechtsanwaltsfachangestellten liegen bereits jetzt über der empfohlenen Mindestvergütung und lauten derzeit wie folgt:

1. Ausbildungsjahr: 700,00 Euro,

2. Ausbildungsjahr: 800,00 Euro,

3. Ausbildungsjahr: 900,00 Euro.

Auch die Möglichkeit der Errichtung von Prüfungsdelegationen wird begrüßt. Durch die Neuregelung können Prüfungsabläufe entzerrt und die Arbeit der ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Prüfungsausschüsse erleichtert werden.

Die geplante gesetzliche Regelung der beruflichen Fortbildung in §§ 53ff. BBiG n. F. schätzt die RAK München kritisch ein.

Es besteht bisher die Möglichkeit zur Fortbildung zum/zur Geprüften Rechtsfachwirt/-in, einer Fortbildung auf Meisterebene, die dem Niveau DQR 6 zugeordnet ist. Zulassungsvoraussetzung zur Prüfung sind entweder eine mit Erfolg abgelegte Abschlussprüfung als Rechtsanwaltsfachangestellte/-r und danach eine mindestens zweijährige Berufspraxis oder eine mindestens sechsjährige Berufspraxis im jeweiligen Berufsfeld.

Die Fortbildung zum/zur Geprüften Rechtsfachwirt/-in hat sich etabliert und genießt große Anerkennung. Ebenso verhält es sich mit den Fachwirtprüfungen in anderen Bereichen wie z. B. Verwaltungsfachwirt, Steuerfachwirt, Wirtschaftsfachwirt, Sparkassenfachwirt etc. Es handelt sich bei diesen Aufstiegsfortbildungen bereits um anerkannte höherqualifizierende Berufsbildungsmöglichkeiten, die als „Marke“ einer breiten Zielgruppe bekannt sind. Wesentlich ist, den Wert dieser Fortbildungen auch für die Zukunft zu sichern.

Offen bleibt, inwieweit weitere Fortbildungsprüfungen zur Erreichung der im Referentenentwurf vorgesehenen weiteren Fortbildungsstufen in allen Berufsgruppen denkbar sind.

Es besteht mithin bereits jetzt die Möglichkeit, einen Hochschulabschluss zum Bachelor und Master auf diesem Wege zu erreichen. Die Aufstiegsfortbildung nach dem BBiG stellt daher schon ein Qualifizierungssystem dar, das einer international anschlussfähigen Bachelor- und Master-Systematik angehört. Nach Auffassung der zuständigen Vorstandsabteilung der Rechtsanwaltskammer München erscheint es gerade im juristischen Bereich sinnvoll, akademische Studiengänge zum Bachelor und Master an den Hochschulen durchzuführen.

Die Entscheidung über den Referentenentwurf wurde vertagt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es hier noch zu Änderungen kommt.