Neue Ideen für die (Aus-) Bildung junger Juristinnen und Juristen durch die Juristische Fakultät der Universität Augsburg

Dr. Matthias Kober, Fachdekan der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg

Seit knapp 50 Jahren werden an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg junge Menschen auf die Erste Juristische Staatsprüfung vorbereitet. Die Anwaltschaft ist dabei von Anfang an stark eingebunden. Zunächst hatten wir die Chance, in Augsburg ein besonderes Ausbildungsmodell zu erproben:  Während einer mindestens 5 ½-jährigen Ausbildungsphase wurden Universitätsstudium und praktischer Vorbereitungsdienst zeitlich und inhaltlich verschmolzen. Dieser besondere Zuschnitt und der starke Praxisbezug haben dazu geführt, dass die Augsburger Absolventinnen und Absolventen damals am Arbeitsmarkt stark nachgefragt waren. Leider sind die Zeiten der sog. „einstufigen Juristenausbildung“ lange vorbei und viele trauern diesen Zeiten nach. Wer weiß, vielleicht entwickelt sich das Augsburger Modell zur Vorlage für künftige Reformideen? Der Wechsel zur zweistufigen Juristenausbildung hat unserer besonderen Bindung an die Praxis jedenfalls nicht geschadet. Vielmehr haben wir sie inzwischen durch Kooperationsvereinbarungen mit der Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk München und dem Augsburger Anwaltverein weiter verfestigt. Auf der Basis dieser Partnerschaft haben wir in den vergangenen Jahren neue Elemente in unser Ausbildungsprogramm übernommen, die alle (auch) ein Ziel verfolgen: wir wollen die Studierenden bereits während des Studiums auf die späteren Tätigkeiten und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Recht vorbereiten.

Die „Integrierten Praktika“, die verschiedenen Moot Courts, das Programm zum Erwerb sog. „Schlüsselqualifikationen“ und die „Law Clinic Augsburg“ will ich Ihnen kurz vorstellen:

Ursprünglich zur Bewältigung des sog. „doppelten Abiturjahrgangs“ gedacht, bietet die Juristische Fakultät gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern – und unterstützt durch die Initiative „Rechts- und Justizstandort Bayern“ – regelmäßig das Projekt „Integrierte Praktika“ an. Durch den Besuch von drei verschiedenen Ausbildungsstationen sollen die Studierenden bereits in einem sehr frühen Stadium ihres Studiums mit dem juristischen Berufsfeld vertraut gemacht werden: Die erste Station ist der Juristischen Arbeitstechnik gewidmet und wird durch zwei Workshops zur Bibliotheksrecherche und zu den Datenbanken ergänzt. In einer zweiten Station berichten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte über ihre Tätigkeit in den verschiedenen Rechtsbereichen. Im Rahmen der dritten Station sollen sich die Studierenden zwei Einrichtungen ihrer Wahl näher ansehen und während eines ca. dreistündigen Aufenthalts einen Eindruck von den Örtlichkeiten, den Abläufen und Zuständigkeiten des Hauses gewinnen und die Aufgaben kennenlernen, mit denen die Juristen dort jeweils betraut sind.

Die Möglichkeit, an einem Moot Court teilzunehmen und in diesem Rahmen ein Gerichtsverfahren zu simulieren, war in Augsburg bis vor wenigen Jahren ein Angebot, das sich an einen kleinen und exklusiven Kreis von Spezialisten richtete. Früher waren wir stolz, dass wir ein Team zur renommierten Philip C. Jessup International Law Moot Court Competition schicken konnten, in dessen Rahmen die Teilnehmer einen fiktiven völkerrechtlichen Fall vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag simulieren sollten. Der Wunsch, sich früh mit der forensischen Tätigkeit von Rechtsanwälten vertraut zu machen, ist inzwischen so deutlich gestiegen, dass wir den Studierenden einen Moot-Court-Raum eingerichtet haben. Ausgestattet mit einer Richterbank und einer Konferenzmikrofonanlage trainieren die Teams den Austausch ihrer Argumente. Heute sind unsere Studierenden beim Soldan Moot vertreten, sie werden erstmalig am ELSA Deutschland Moot Court teilnehmen und wir entsenden ein Team zum BFH-Moot Court, in dessen Rahmen insgesamt zwei steuerrechtliche Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof simuliert werden.

Seit vielen Jahren verpflichtet das Deutsche Richtergesetz alle Studierenden zum Besuch von Veranstaltungen zum Erwerb sog. „Schlüsselqualifikationen“. Von Anfang an dürfen wir hierfür auf engagierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zurückgreifen, die ihre Erfahrungen mit Begeisterung an die Studierenden weitergeben. Aber auch hier hat sich eine Veränderung ergeben: Während wir unseren Veranstaltungskatalog bis vor kurzem auf Workshops zur Mediation, Verhandlungsführung, Rhetorik und anwaltlichen Beratung beschränkt hatten, hat uns das studentische Engagement in der Law Clinic Augsburg gezeigt, wie wichtig es ist, das Angebot auszuweiten: Inzwischen bieten wir Veranstaltungen an, die das Selbstbewusstsein und die Durchsetzungsfähigkeit der Studierenden stärken und ihr Verständnis für andere Kulturen schärfen sollen.

Die Law Clinic Augsburg ist ein von den Studierenden zu Beginn des Jahres 2015 initiiertes Projekt. Auf der Grundlage und im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes bietet die Law Clinic Augsburg kostenlose studentische Rechtsberatung durch engagierte Studierende im Bereich des Migrationsrechts und seit Januar 2019 für Bedürftige auch auf dem Gebiet des Mietrechts an. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen zunächst ein fundiertes Ausbildungsprogramm durchlaufen, um anschließend sowohl persönlich als auch gutachterlich Rechtsfragen zu beantworten. Die Studierenden sind jede Woche in der ANKER-Einrichtung Donauwörth, unterstützen bei der Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration, bieten Sprechstunden im Wohnbüro der Stadt Augsburg an, führen Weiterbildungsveranstaltungen für Helferkreise und in Schulen durch, sichten Unterlagen, verweisen an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und helfen bei der Formulierung außergerichtlicher Schreiben. Dolmetscherinnen oder Dolmetscher werden vorab in ausländerrechtlichen und mietrechtlichen Grundlagen und in der Terminologie geschult. Das Projekt verschafft allen Beteiligten Vorteile: Die Ratsuchenden erhalten einen niedrigschwelligen Zugang zum Recht, der oft mangels finanzieller Mittel oder Einschätzbarkeit der Folgen nicht verfolgt wird. Die Studierenden werden zur studentischen Rechtsberatung befähigt und gleichzeitig wird ihre Kompetenz geschult, ihr im Rahmen ihres ehrenamtlichen Engagements erworbenes Wissen auch außerhalb ihrer Tätigkeit einzusetzen. Ohne die wertvolle Unterstützung durch die Stadt Augsburg und die Rechtsanwaltskammer für den OLG-Bezirk München hätte sich dieses Projekt nicht so erfolgreich entwickeln können.

Die Universität ist nicht nur ein Ausbildungsort für die Schlussprüfung. Sie ist in erster Linie ein Denkort, an dem wir uns –  ebenso engagiert wie in der Lehre –  den Herausforderungen der Zeit stellen. In Augsburg greifen wir beispielsweise derzeit verstärkt Fragen auf, die die Digitalisierung mit sich bringt: Wie erfolgt die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken? Welche rechtlichen Konsequenzen hat der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Finanzbranche? Wie soll die Digitalwirtschaft besteuert werden? Welche arbeitsrechtlichen Folgen hat es, wenn im „intelligenten Unternehmen 4.0“ künftig vernetzter, digitaler und flexibler gearbeitet werden soll? Welche datenschutzrechtlichen und medizinrechtlichen Probleme ergeben sich aus der Zusammenführung und der Analyse von Gesundheitsdaten? Für diese und all die anderen Fragen, die uns in der Forschung bewegen, wollen wir die jungen Menschen während ihres Studiums begeistern. Gleichzeitig ist uns wichtig, dass die Studierenden über die historischen, theoretischen und methodischen Grundlagen des Rechts nachdenken. Dafür bieten wir den Studierenden einen eigenen Schwerpunkt an, aber auch viele Veranstaltungen, deren Inhalte nicht in Prüfungen abgefragt werden. Damit unterstreichen wir die Wissenschaftlichkeit des Jurastudiums, die später zu einer grundlagenbewussten Arbeitsweise befähigen soll. Mit Bedauern beobachten wir allerdings auch, dass sich die Studierenden oft zu wenig Zeit für eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Recht nehmen (dürfen).


Dr. Matthias Kober
Akademischer Oberrat

Nach dem Jurastudium an den Universitäten Augsburg und Turin und dem Vorbereitungsdienst im OLG Bezirk München ist Herr Dr. Kober seit 1998 an der Universität Augsburg beschäftigt.  Zunächst als sog. "Fakultätsassistent" im Dekanat der Juristischen Fakultät, anschließend als Administrative Director des Munich Intellectual Property Law Centers (MIPLC), später hat er am Zentrum für Weiterbildung und Wissenstransfer (ZWW) der Universität Augsburg das Juristische Weiterbildungsangebot aufgebaut. Seit 2008 arbeitet er erneut im Dekanat der Juristischen Fakultät, inzwischen als Fachdekan für Zentrale Aufgaben und Akademische Angelegenheiten. Die Juristische Fakultät hat ihn im Jahre 2002 mit einer Arbeit zum italienischen Einkommensteuerrecht promoviert.

Bildquelle: uschools/iStock