Rechtsreferendar in Bayern – auf dem Weg in die Anwaltschaft

Ministerialdirigentin Dr. Beatrix Schobel, Leiterin des Landesjustizprüfungsamtes

Der juristische Vorbereitungsdienst legt die entscheidenden Grundlagen für die künftige berufliche Laufbahn unserer jungen Juristinnen und Juristen. In Bayern wird den Referendarinnen und Referendaren eine erstklassige und vielseitige Ausbildung geboten, die sie auf die vielfältigen beruflichen Tätigkeiten in den Bereichen des Staatsdienstes, der Wirtschaft und insbesondere auch der rechtsberatenden Berufe sehr gut vorbereitet. Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst ist deshalb in erster Linie auf die Vermittlung berufspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgerichtet und verbindet eine vielfältige Stationsausbildung mit begleitendem Unterricht in Arbeitsgemeinschaften.

Das Rechtsreferendariat in Bayern

Am Ende der Ausbildung sollen die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare nach der ausdrücklichen Zielsetzung der bayerischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO)1 in der Lage sein, in der Rechtspraxis, soweit erforderlich nach einer fachspezifischen Einarbeitung, eigenverantwortlich tätig zu sein und den vielseitigen und legitimen Erwartungen der rechtssuchenden Bevölkerung zu entsprechen.

"Herzstück" des zweijährigen, in der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz und des Innern und der bayerischen Rechtsanwaltskammern über die Ausbildung der Rechtsreferendare2 näher ausgestalteten Referendariats ist daher die praktische Ausbildung am Arbeitsplatz in verschiedenen Ausbildungsstationen, in denen anhand von konkreten Fällen das Rüstzeug für die künftige Praxistätigkeit vermittelt wird. Die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare sollen im Rahmen eines "learning by doing" die Rechtspraxis tatsächlich miterleben und mitgestalten. Sie werden in die praktische Arbeit ihrer Ausbilderinnen und Ausbilder unmittelbar einbezogen und erledigen einen Teil deren täglicher Arbeit eigenständig, wenn auch unter Anleitung und Aufsicht dieser erfahrenen Praktiker. Die Referendarinnen und Referendare sollen anhand von aktuellen Vorgängen, die bei ihrer jeweiligen Ausbildungsstelle anfallen, lernen, wie diese sorgfältig, sachdienlich und ohne Verzögerung erledigt werden, wobei vorzugsweise examensrelevante Gebiete zu behandeln sind.3

"im Rahmen eines "learning by doing" die Rechtspraxis tatsächlich miterleben und mitgestalten."

Neben einer intensiven Einbindung in die Tätigkeiten von Justiz und Verwaltung wird hierbei ein deutliches Augenmerk auf die Praxis des Anwaltsberufs gelegt, denn ein überwiegender Teil der Rechtsreferendare ist nach dem Examen als Anwalt tätig.

Jährlich stehen bundesweit über 7.000 frischgebackene Assessoren vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt für Juristen. Allein das bayerische Landesjustizprüfungsamt hatte 2018 ca. 1.700 Teilnehmer in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zu bewältigen. Nachdem die Zahl der Referendare seit Beginn der 2000er Jahre deutlich zurückgegangen war, sind als Folge der gestiegenen Zahl an Studierenden in Bayern in den letzten Jahren auch die Referendarzahlen wieder angewachsen.

Aufgrund des bestehenden Konkurrenzdrucks kann sich der Einstieg in den Beruf nicht selten und insbesondere für Assessoren, die nicht die "magische Grenze" des Vollbefriedigend erreicht haben, als schwierig gestalten. Ziel des bayerischen Referendariats ist es daher, die Referendarinnen und Referendare nicht nur bestmöglich auf die Zweite Juristische Staatsprüfung vorzubereiten, sondern diesen durch die Möglichkeit der vertieften Einarbeitung in den verschiedenen Stationen und zusätzliche Qualifikationsangebote das Rüstzeug mitzugeben, sich auf dem Stellenmarkt zu behaupten, und ihnen den beruflichen Einstieg zu erleichtern.

Bewerbung und Einstieg

Jeweils Anfang April und Anfang Oktober eines Jahres findet in Bayern die Einstellung in den juristischen Vorbereitungsdienst statt. Die Bewerbung ist an eines der drei Oberlandesgerichte in München, Nürnberg und Bamberg zu richten. Sofern die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst erfüllt sind, erhalten in Bayern alle Bewerber zum gewünschten Termin einen Ausbildungsplatz im Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem sie sich beworben haben. Ortswünschen kann nicht immer, in den letzten Jahren aber überwiegend, entsprochen werden.

Die Referendare erhalten während des Referendariats eine monatliche Unterhaltsbeihilfe von derzeit EUR 1.302,88 im Grundbetrag.

"die Bedeutung richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen für den Rechtsstaat und die Gesellschaft"

Vielfältige Stationsausbildung

Der zweijährige Vorbereitungsdienst beginnt in der Justiz mit einer fünfmonatigen Zivilrechtsstation bei einem Land- oder Amtsgericht. Die Referendarinnen und Referendare beteiligen sich aktiv an der Lösung von realen Zivilrechtsfällen und lernen anhand dieser, Urteile und Beschlüsse zu verfassen. Sie haben zudem die Möglichkeit, eine mündliche Verhandlung zu leiten und Zeugen zu befragen. Daran schließt sich die dreimonatige Station bei einer Staatsanwaltschaft oder einem Strafgericht an, in der neben schriftlichen Arbeiten die selbstständige Wahrnehmung des Amtes des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung (Sitzungsvertretung) verlangt wird. Die Ausbildung bei Gerichten und Staatsanwaltschaften soll den Rechtsreferendaren dabei auch die Bedeutung richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen für den Rechtsstaat und die Gesellschaft bewusst machen. Es schließt sich eine viermonatige Station bei einer Verwaltungsbehörde an, die die Referendarinnen und Referendare mit den Aufgaben und der Arbeitsweise der Verwaltung vertraut macht.

Sodann folgt mit der neunmonatigen Rechtsanwaltspflichtstation die längste Station. Diese Station soll den Referendarinnen und Referendaren wichtige Einblicke in die Anwaltstätigkeit und erste Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern in der Anwaltschaft ermöglichen. Nach § 59 Satz 3 BRAO soll Gegenstand der Ausbildung beim Rechtsanwalt insbesondere die gerichtliche und außergerichtliche Anwaltstätigkeit, der Umgang mit Mandanten, das anwaltliche Berufsrecht und die Organisation einer Anwaltskanzlei sein.4

Der Ausbildungsanwalt kann grundsätzlich frei gewählt werden. Eine Zuweisung setzt jedoch voraus, dass der gewählte Rechtsanwalt sich auf der den Oberlandesgerichten von den Rechtsanwaltskammern zur Verfügung gestellten Liste mit zur Ausbildung von Rechtsreferendaren geeigneten und bereiten Rechtsanwälten befinden.5 Die Aufnahme in die Listen erfolgt auf Antrag der Rechtsanwälte.

Die Anwaltsstation kann gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 JAPO auch bei zwei Rechts-anwaltskanzleien abgeleistet werden. Hierdurch wird vielseitig interessierten Referendarinnen und Referendaren die Möglichkeit eröffnet, einen Teil der Station beispielsweise bei einem zivilrechtlich orientierten Rechtsanwalt abzuleisten und den Rest der Station bei einem Strafverteidiger. So können Erfahrungen mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts auf verschiedenen Gebieten gesammelt werden.

Zudem besteht die Möglichkeit, einen Teil der Rechtsanwaltspflichtstation bei einer der in § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 JAPO genannten sonstigen Stellen zu absolvieren. Darunter fallen neben überstaatlichen, zwischenstaatlichen oder ausländischen Ausbildungsstellen, juristischen Fakultäten und Organen der Europäischen Union auch Notariate, Wirtschaftsunternehmen und -verbände sowie sonstige Ausbildungsstellen, bei denen eine sachgerechte rechtsberatende Ausbildung gewährleistet ist.

In der Zeit zwischen der schriftlichen und der mündlichen Prüfung ist das Pflichtwahlpraktikum zu absolvieren. Hier können Referendarinnen und Referendare zwischen verschiedenen Berufsfeldern (Justiz, Verwaltung, Anwaltschaft, Wirtschaft, Arbeits- und Sozialrecht, Internationales Recht und Europarecht sowie Steuerrecht) wählen. Diese Station des Referendariats zielt mit einem erheblich reduzierten Präsenzunterricht auf einen entsprechend des Interessenschwerpunktes vertieften Einstieg in die praktische Arbeit und die Intensivierung der Kontakte zu künftigen Arbeitgebern ab. Die Ausbildung im Berufsfeld "Anwaltschaft" konzentriert sich etwa auf zentrale Themen der Kanzleiführung und Mandatsbearbeitung. Bei Wahl dieses Berufsfeldes können die Referendare zusätzliches Wissen zu Themen wie etwa anwaltliches Berufs- und Gebührenrecht erwerben und das Verständnis für eine praxisbezogene Anwaltstätigkeit vertiefen. Dadurch können Berufschancen sowohl in der Anwaltschaft als auch in der privaten Wirtschaft nachhaltig verbessert werden. Das Pflichtwahlpraktikum kann auch im Ausland absolviert werden.

Begleitender Unterricht in Arbeitsgemeinschaften

Ergänzt wird die praktische Stationsausbildung während aller Ausbildungsabschnitte durch begleitenden Unterricht in Arbeitsgemeinschaften. Diese werden überwiegend von fachlich und persönlich besonders geeigneten, hauptamtlichen Arbeitsgemeinschaftsleiterinnen und Arbeitsgemeinschaftsleitern abgehalten. Der Einführungslehrgang für die Rechtsanwaltspflichtstation und die Arbeitsgemeinschaft im Pflichtwahlpraktikum im Berufsfeld Anwaltschaft werden von ausgewählten Dozenten aus der Rechtsanwaltschaft durchgeführt. In besonderen Lerneinheiten, insbesondere in einem Kurs zur Rechtsgestaltung, werden mit erfahrenen Rechtsanwälten und Notaren als Dozenten zudem verstärkt anwaltliche und gestaltende Aspekte erarbeitet.

"reichhaltiges Angebot an ergänzenden Seminaren"

Zusatzqualifikationen

Referendaren in Bayern wird auf freiwilliger Basis ein reichhaltiges Angebot an ergänzenden Seminaren angeboten. Diese können dadurch ihr Profil schärfen und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Dazu zählen neben Fremdsprachenkursen auch von den Industrie- und Handelskammern speziell für Referendare angebotene Kurse zur Betriebswirtschaftslehre und zum Bilanzwesen, die das insbesondere in der anwaltlichen Beratung so wichtige wirtschaftliche Verständnis fördern sollen. Darüber hinaus können die Referendarinnen und Referendare in Rhetorik-Seminaren sowie Seminaren zum Verhandlungsmanagement und zur Mediation ihre kommunikativen Fähigkeiten verbessern und neue Fähigkeiten im Bereich der alternativen Streitvermeidung und -beilegung erlangen.

Die Zweite Juristische Staatsprüfung

Die Zweite Juristische Staatsprüfung in Bayern besteht aus einem schriftlichen Prüfungsteil, in Rahmen dessen elf Klausuren zu schreiben sind, sowie einer mündlichen Prüfung, in der neben Zivil-, Straf- und Öffentlichem Recht auch das gewählte Berufsfeld geprüft wird. Von den elf Klausuren betreffen vier Aufgaben im Schwerpunkt das Zivilrecht einschließlich des Handels- und Gesellschaftsrechts. Zwei Aufgaben haben ihren Schwerpunkt im Strafrecht, drei im Öffentlichen Recht. Jeweils eine Klausur befasst sich mit Arbeitsrecht und Steuerrecht.

Mindestens vier Aufgaben sollen Leistungen aus dem Bereich der rechtsberatenden und rechtsgestaltenden Berufe zum Gegenstand haben.6 Tatsächlich betreffen mehr als ein Drittel der vom Prüfungsausschuss ausgewählten Klausuren eine solche Aufgabenstellung, im Rahmen derer die Prüflinge Schriftsätze und Mandantenschreiben verfassen müssen. Regelmäßig handelt es sich zudem bei einer Klausur um eine sogenannte Kautelarklausur (meist aus Sicht eines Notars), die von den Prüflingen rechtsberatende bzw. -gestaltende Leistungen verlangt.

Die Klausuren werden von Praktikern konzipiert, sodass ihnen häufig tatsächliche Fälle aus der Rechtspraxis zugrunde liegen, mit denen Richter, Staatsanwälte, Verwaltungsbeamte, Rechtsanwälte und Notare in ihrem Arbeitsalltag konfrontiert sind. Gemäß § 59 JAPO stammen zwei Mitglieder des Prüfungsausschusses, der die Klausuren für das Examen auswählt, aus den rechtsberatenden Berufen (derzeit ein Notar und ein Rechtsanwalt), so dass bereits bei der Klausurauswahl die anwaltliche bzw. rechtsberatende Sicht einen erheblichen Einfluss hat.

Für die Bewertung der erbrachten Prüfungsleistungen ist im Einklang mit den Zielen des Referendariats von maßgeblicher Bedeutung deren praktische Brauchbarkeit. Die Prüfungen werden daher nahezu ausschließlich von Praktikern abgenommen, die mit den Anforderungen der Rechtspraxis täglich konfrontiert sind.7 Rechtsanwälte beteiligen sich dabei insbesondere als Prüfer bei den mündlichen Prüfungen und auch als Bewerter schriftlicher Aufgaben.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Referendariat in Bayern bildet vielseitige Juristen aus, die für das ganze Spektrum der juristischen Berufe, insbesondere aber auch für die Anwaltschaft, bestens gewappnet sind. Aufgrund der bewährten Kombination aus theoretischer und praktischer Ausbildung im Rechtsreferendariat zeigt sich die Juristenausbildung in Bayern auch für die Zukunft gerüstet. Neuen Entwicklungen, wie etwa die Digitalisierung von Gesellschaft und Justiz, können sowohl in den Arbeitsgemeinschaften als auch bei der praktischen Ausbildung in den einzelnen Stationen berücksichtigt werden.


1 § 44 Abs. 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) vom 13. Oktober 2003 (GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J), die zuletzt durch Verordnung vom 30. Januar 2018 (GVBl. S. 38) geändert worden ist.

2 Rechtsreferendarsausbildungsbekanntmachung vom 28. April 2005 (JMBl S. 57), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 11. August 2017 (JMBl S. 196).

3 Vgl. auch Ziffern 1.1.1 bis 1.1.3 der Rechtsreferendarsausbildungsbekanntmachung.

4 Vgl. auch Ziff. 1.4 Rechtsreferendarsausbildungsbekanntmachung.

5 Ziff. 1.5. Rechtsreferendarsausbildungsbekanntmachung.

6 § 62 Abs. 3 Satz 3 JAPO.

7 Vgl. auch § 60 Abs. 2 JAPO.



 

 

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