Die 76. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern fand am 10.11.2018 im Bezirk der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer in Kiel statt.
Schwerpunktmäßig befassten sich die Teilnehmer mit dem aktuellen Stand eines 3. KostRMoG und den Auswirkungen der Digitalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes auf die Vergütung der Anwaltschaft. Ferner setzten sie sich mit verschiedenen vergütungsrechtlichen Fragestellungen u. a. im Bereich des Straf- und Sozialrechts auseinander.
3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG)
Ein Referentenentwurf eines 3. KostRMoG lag zum Zeitpunkt der 76. Gebührenreferententagung nicht vor. Der gemeinsame Forderungskatalog zur Anpassung des RVG von BRAK und DAV, der Mitte April 2018 an Bundesjustizministerin Dr. Barley übergeben worden ist, wurde im Herbst 2018 vom BMJV an die Landesjustizministerien ohne Fristsetzung zur Stellungnahme weitergeleitet. Der Vertreter des BMJV bestätigte, dass mit den Gesetzgebungsarbeiten noch nicht begonnen worden ist. Um das Gesetzgebungsverfahren anzuschieben, regten die Gebührenreferenten an, dass die Rechtsanwaltskammern nochmals Gespräche sowohl mit ihren jeweiligen Landesjustizministerien als auch den Abgeordneten auf Länderebene führen.
In der weiteren Diskussion setzten sich die Gebührenreferenten mit den neuen Entwicklungen des Anwaltsmarktes und deren Auswirkungen auf das anwaltliche Gebührenrecht auseinander. Nach einem Vorstoß der Versicherungswirtschaft sollten bei einer Modernisierung des Kostenrechts die Veränderungen im Rechtsdienstleistungsmarkt durch die Digitalisierung aufgegriffen und das Gebührenrecht in die „digitale“ Zeit fortentwickelt werden. Konkret wurde eine Ergänzung von § 14 RVG vorgeschlagen, bei Parallelangelegenheiten die Gebühr um einen bestimmten Faktor zu reduzieren, der die erzielten Skaleneffekte berücksichtigt.
Nach Auffassung der Gebührenreferenten ist es fraglich, ob im Rahmen des § 14 RVG Synergieeffekte zu berücksichtigen sind. Die Gebührenreferenten werden die Diskussion über die Frage, ob § 14 RVG die Abrechnung standardisierter Rechtsdienstleistungen noch ordnungsgemäß abbildet, im Rahmen ihrer nächsten Tagung fortsetzen. Die Gebührenreferenten sind sich aber einig, dass diese Fragestellung losgelöst vom 3. KostRMoG zu behandeln ist.
Skontogewährung gegenüber Behörden
Um zügig seine zu erstattenden Kosten zu erhalten, räumte ein RA einer Behörde ein Skonto in Höhe von 2 % ein, wenn auf Kostenfestsetzungsanträge innerhalb von zehn Tagen gezahlt wird. Die Gebührenreferenten fassten nach einer umfangreichen Diskussion folgenden hierzu Beschluss:
Die Gebührenreferenten halten die Skontogewährung von 2 % gegenüber einer Behörde bei Zahlung auf Kostenfestsetzungsanträge innerhalb von zehn Tagen für unzulässig, da diese sowohl gegen § 49b Abs. 1 BRAO verstößt als auch eine Vorteilsannahme darstellt.
Anfall der Gebühr nach Nr. 2100 VV RVG ohne (ausdrückliche) Beauftragung
Ferner befassten sich die Gebührenreferenten mit der Frage, ob auch ohne ausdrückliche Beauftragung durch den Mandanten eine Gebühr nach Nr. 2100 VV RVG anfällt, wenn der RA die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels prüft und dazu Stellung nimmt. Im Gegensatz zu der Vorgängerregelung in der BRAGO ist in Nr. 2100 VV RVG das Tatbestandsmerkmal des Auftrags entfallen. Die Gebührenreferenten stellten Überlegungen an, dass sich das Erfordernis des Auftrags bereits daraus ergeben dürfte, dass der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts aus einem Vertrag hergeleitet wird. Im Wege einer teleologischen Auslegung könnte der Klageauftrag dahingehend interpretiert werden, dass der RA – aufschiebend bedingt – beauftragt wird, die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels zu prüfen, falls der Prozess ganz oder teilweise verlorengeht. Der Fall sei vergleichbar mit einer Taxe im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB. Zu einem abschließenden Ergebnis sind die Gebührenreferenten noch nicht gekommen.
Mehrfachvertretung von Opfern in einem Strafverfahren
In Strafverfahren ordnen die Gerichte für mehrere Opfer, die von verschiedenen Straftaten eines Täters betroffen sind, einen RA als gemeinsamen Beistand z. B. bei einer Nebenklage bei; die gemeinsame Verhandlung aller Straftaten findet in einer mehrtägigen Hauptverhandlung statt.
Vor diesem Hintergrund setzten sich die Gebührenreferenten hinsichtlich der Vergütung des beigeordneten Opfervertreters mit der Frage auseinander, ob es sich bei der Vertretung mehrerer Opfer um verschiedene Angelegenheiten handelt. Im Rahmen der Diskussion stellte sich auch die Frage, in wieweit die Mehrfachvertretung von Opfern in einem Strafverfahren aufgrund möglicher Interessenkollisionen nach § 43a Abs. 4 BRAO in berufsrechtlicher Hinsicht zulässig ist. Insofern stellten die Gebührenreferenten die vergütungsrechtliche Klärung zurück und kamen überein, zunächst den BRAO-Ausschuss der BRAK um seine Einschätzung zu bitten.
Sozialrecht: fiktive und echte Terminsgebühr
In einem sozialrechtlichen Klageverfahren ist sowohl die echte als auch die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ausgelöst worden. Bei der Berechnung stellt sich die Frage, ob die fiktive Terminsgebühr bei Anfall der echten völlig wegfällt oder ob die echte Terminsgebühr angereichert werden muss, wenn gleichzeitig auch die fiktive Terminsgebühr anfällt. Die Gebührenreferenten sprachen sich in beiden Fällen dafür aus, dass jeweils das höhere der beiden Bemessungskriterien nach § 14 RVG zieht.
Betreuungsrecht: Berechnung der Vergütung des Verfahrenspflegers
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG (Urteil v. 24.07.2018 – 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16), dass auch bei kurzfristigen Fixierungen wegen der Intensität des Grundrechtseingriffs eine richterliche Anordnung erforderlich ist, fassten die Gebührenreferenten nach eingehender Diskussion mehrheitlich folgenden Beschluss:
- Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger bei einer Anhörung zu einer Fixierung stellt die Wahrnehmung von Interessen des Betroffenen in seinen grundrechtlich geschützten Rechtsangelegenheiten i. S. v. § 3 BRAO dar.
- Ein Verfahrenspfleger eines Betroffenen in der Gefahr der Fixierung würde mutmaßlich immer einen Rechtsanwalt beauftragen.
- Die Gerichte sind deshalb gehalten, bei Fixierungen immer einen Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger zu bestellen.
- Die Vergütung und der Aufwandsersatz des Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger richten sich daher regelmäßig nach den Vorschriften des RVG.