Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein nennenswerter Teil der Tätigkeit der Anwaltschaft erstreckt sich auf die Ausbildung von Juristen. Diese Tätigkeit umfasst die ganz gegenständliche Frage, wie der studentische Praktikant oder die Rechtsreferendarin am morgigen Werktag in der Kanzlei beschäftigt werden soll, wie auch die sehr abstrakte Frage, ob die Rechtsanwaltskammer München zu einer geplanten Änderung des § 5a DRiG im Gesetzgebungsverfahren Stellung nehmen muss.
"Was ist ein Volljurist? Ist er Garant unseres Rechtsstaats?"
Zunächst sind grundsätzliche Themen zu klären: Was ist ein Volljurist? Wie wird er eingesetzt? Was muss er daher können? Ist er Garant unseres Rechtsstaats? Bilden wir entsprechend einen Einheitsjuristen aus, der die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Arbeitsleben verwirklicht, oder ist ein spezifisch ausgebildeter Spartenjurist nicht im Konkreten besser befähigt, Wert für die Gesellschaft zu schöpfen? Kümmert sich der Arbeitsmarkt der Welt um diese Angelegenheiten? Brauchen wir also den überkommenen deutschen Volljuristen noch – oder überhaupt diese Diskussion?
Das Thema spricht aber auch ganz praktische Fragen an: Wer hält morgen in der Früh im Justizausbildungszentrum einen Vortrag zu welchem Thema und was kostet das? Was soll der Referent aus Sicht der verfassten Anwaltschaft eigentlich unterrichten?
Der Bund bestimmt den Rahmen der Juristenausbildung im DRiG. Hier nimmt die Bundesrechtsanwaltskammer als unsere Vertreterin an Gesetzgebungsverfahren teil. Hierzu schildert RAin Kristina Trierweiler (Geschäftsführerin der BRAK) nachfolgend ihre Sicht der Dinge. Der große Rahmen des Bundesgesetzes wird von den Landesjustizverwaltungen mit konkretem Leben erfüllt. Die Leiterin des Bayerischen Landesjustizprüfungsamtes, Dr. Beatrix Schobel, stellt die Juristenausbildung aus Sicht des Freistaats Bayern dar. Substrat aller Tätigkeit von Bund und Land ist die Ausbildung der jungen Juristinnen und Juristen an den Universitäten: Einerseits durch Gesetze im Rahmen geregelt, andererseits garantiert durch Art. 5 Abs. 3 GG in der Lehre frei. Den Ausführungen von Fachdekan Dr. Matthias Kober der Juristischen Fakultät der Uni Augsburg kommt daher besondere Bedeutung zu.
An den großen Diskussionen nimmt die Rechtsanwaltskammer teil durch die Teilnahme an Ausschusssitzungen, durch die Abgabe von Stellungnahmen, durch Präsenz bei Versammlungen – und durch die Beflügelung des Diskurses mittels dieses Hefts. Alltäglich und weit aufwändiger ist die Anwaltschaft in der Ausbildung vertreten durch die praktische Ausbildung der Studenten und Referendare in den Kanzleien, durch die Erteilung von Unterricht an Universitäten und Oberlandesgerichten, durch die Abnahme von Prüfungen. Die durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erbrachte Ausbildungsleistung ist zeitlich und finanziell immens.
"Die durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erbrachte Ausbildungsleistung ist zeitlich und finanziell immens."
Trotz des Axioms „Wenn wir es machen, machen wir es gescheit“ und der Grundannahme „Niemand kann es besser als wir“ bleibt allerdings der Befund, dass es an anwaltlichen Ausbildungsstellen fehlt, Entwürfe für Examensklausuren gesucht werden und Examensprüfer aus den Reihen der Anwaltschaft abgehen. Vielleicht sprechen Sie uns an.
Ihr Dr. Thomas Kuhn
Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer München
Dozent in der Referendarsausbildung
und Prüfer in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung