Erforderlichkeit einer regelmäßigen linearen Erhöhung der Anwaltlichen Vergütung

In einem vom gesamten Präsidium unterzeichneten Schreiben an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann vom 20.09.2022 setzt sich die Bundesrechtsanwaltskammer aktiv für eine lineare Erhöhung der anwaltlichen Vergütung ein:

Sehr geehrter Herr Minister,
lieber Herr Dr. Buschmann,

die Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege gewährleistet den effektiven Zugang zum Recht für alle Bürgerinnen und Bürger und sichert dadurch die Errungenschaften des Rechtsstaats. Damit die Anwaltschaft ihrem Auftrag auch weiterhin hinreichend nachkommen kann, müssen deren Rahmenbedingungen gewährleistet sein. Dazu gehört insbesondere auch eine angemessene Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit.

Durch das in der 19. Legislaturperiode beschlossene Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts und zur Änderung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (KostRÄG 2021) wurde die anwaltliche Vergütung (mit Ausnahme der sozialrechtlichen Gebühren, die stärker erhöht wurden) um 10 % angehoben. Diese vergangene Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung war ein erster wichtiger Schritt, der allerdings lediglich eine teilweise Anpassung an die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten sieben Jahre beinhaltete.

Die Belastung der Anwaltschaft ist inzwischen jedoch deutlich über 18 % gestiegen, vor allem durch überdurchschnittlich stark gestiegene Lohn-, Miet- und Raumkosten. Darüber hinaus sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von den Auswirkungen der Inflation in Form von Preissteigerungen bei Hardware, Software, Ausrüstung und IT-Dienstleistungen für die Ausrüstung der Kanzleiräume und die Nutzung von Home-Office besonders betroffen.

Angesichts der enorm gestiegenen Kraftstoffpreise können auch Fahrtkosten, die für eine Geschäftsreise bei Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs mit derzeit 0,42 Euro für jeden gefahrenen Kilometer nach Nr. 7003 VV RVG abgerechnet werden können, nicht mehr ausreichend gedeckt werden. Für die Gewährleistung des Rechts – insbesondere die Vertretung vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden – ist die Mobilität der Anwaltschaft aber essenziell.

Die Bundesregierung hat mit drei Entlastungspaketen im Volumen von insgesamt rund 95 Milliarden Euro rasch umfangreiche Maßnahmen zur Entlastung und sozialen Unterstützung der Bevölkerung auf den Weg gebracht. Das dritte Maßnahmenpaket des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen „Deutschland steht zusammen“ (Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 03.09.2022) enthält jedoch bedauerlicherweise keine Maßnahmen zur Entlastung der Anwaltschaft. Bei der Verabschiedung von Entlastungspaketen darf die Systemrelevanz der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und ihre besondere Stellung als Organ der Rechtspflege nicht außer Acht gelassen werden. Damit die Anwaltschaft das Fortbestehen des Rechtsstaats weiter gewährleisten kann, ist eine den aktuellen Entwicklungen angepasste Vergütung zwingend notwendig.

Um den stetig wachsenden Kosten in den Kanzleien etwas entgegenzusetzen, bedarf es einer zeitnahen linearen Anpassung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die rasant steigende Inflation. In jeder Legislatur muss daher regelmäßig eine Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung erfolgen, so etwa durch eine Indexierung, vergleichbar mit der Koppelung der Diäten der Bundestagsabgeordneten an die Entwicklung des Nominallohnindexes, um steigende Kosten zu decken und gleichzeitig spürbar höhere Belastungen der Rechtsuchenden zu vermeiden. Gleichzeitig würde eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren auch eine bessere Bezahlung der Rechtsanwaltsfachangestellten ermöglichen, an denen derzeit dringender Bedarf besteht.

Wir sind uns gewiss, dass Ihnen die besondere Bedeutung der Anwaltschaft für den Rechtsstaat bewusst und deren Schutz Ihnen daher ein ebenso gewichtiges Anliegen ist, wie uns. Nur durch eine substanzielle lineare Anpassung der Vergütung werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wirtschaftlich dauerhaft in der Lage sein, auch weiterhin den Zugang zum Recht angemessen garantieren zu können.

Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich vor diesem Hintergrund mit gebührendem Nachdruck für eine lineare Erhöhung der anwaltlichen Vergütung einsetzen und stehen Ihnen für ein Gespräch gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ulrich Wessels
Rechtsanwalt und Notar (Präsident)

Dr. Thomas Remmers
Rechtsanwalt und Notar (1. Vizepräsident)

André Haug
Rechtsanwalt (2. Vizepräsident)

Ulrike Paul
Rechtsanwältin (3. Vizepräsidentin)

Dr. Christian Lemke
Rechtsanwalt (4. Vizepräsident)

Michael Then
Rechtsanwalt (Schatzmeister)