Der Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte wird überprüft – was bedeutet das für die Anwaltschaft?

Eine Arbeitsgruppe der Landesjustizministerien prüft im Auftrag der Justizministerkonferenz, ob der Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte angehoben werden soll.
TEXT: Redaktion der RAK München

Unter Federführung der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wird derzeit geprüft, ob der Streitwert, bis zu dem die Amtsgerichte für zivilrechtliche Streitigkeiten zuständig sind (§ 23 Nr. 1 GVG), erhöht werden soll. Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister des Bundes und der Länder hatte in ihrer Sitzung im November 2021 einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Überprüft werden sollen neben dem Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte in Zivilsachen auch weitere Zuständigkeitsstreitwerte, insbesondere die Wertgrenze für das vereinfachte Verfahren nach § 495a ZPO, die Berufungswertgrenzen des § 511 II Nr. 1 ZPO und des § 64 II lit. b ArbGG sowie die Wertgrenzen für verschiedene Beschwerdeverfahren (etwa nach § 567 II ZPO, §§ 66 II 1, 68 I 1 GKG, § 81 II 1 GNotKG, § 33 III 1 RVG). Die Arbeitsgruppe soll bei ihrer Prüfung auch die personalwirtschaftlichen und gerichtsorganisatorischen Folgen berücksichtigen.

Konkret wird eine – möglicherweise schrittweise – Anhebung der Zuständigkeitsstreitwertgrenze von EUR 5.000,00 auf EUR 7.000,00 oder mehr untersucht. Eine Erhöhung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte hätte spürbare Auswirkungen für die Anwaltschaft. Denn für zivilrechtliche Streitigkeiten vor den Amtsgerichten ist die Vertretung durch eine Anwältin oder einen Anwalt nicht vorgeschrieben. Erst für Verfahren vor den Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof ist eine anwaltliche Vertretung nach § 78 ZPO erforderlich.

Der Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte wurde letztmals im Jahr 1993 erhöht. Angesichts dessen erachtet der Vorstand der Rechtsanwaltskammer München die Überlegungen zur Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes – auch unter Berücksichtigung des Inflationsgeschehens – für legitim. Allein die Inflationsrate führt dazu, dass die Streitwertgrenze des § 23 Nr. 1 GVG bei EUR 7.500,00 liegen dürfte.

Der Rechtsanwaltskammer München ist aus Gesprächen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz bekannt, dass wesentliches Ziel der Anhebung eine Entlastung der Landgerichte ist. Deren Geschäftsanfall hat durch die Massenverfahren zugenommen, was wiederum eine erhebliche Überlastung nach sich zog. Eine Erhöhung der Zuständigkeitsstreitwertgrenze auf bis zu EUR 7.500,00 könnte zur erwünschten Entlastung der Landgerichte führen. Allerdings darf es nicht zu einem Qualitätsverlust in der Rechtsprechung kommen.

Darüber hinaus könnte mit einer Anhebung auf bis zu EUR 10.000,00 der Bestand von Amtsgerichten in der Region aufrechterhalten und der Betrieb von Zweigstellen gesichert werden. Gerade ein regional breit gefächerter Zugang zu den Gerichten für die rechtsuchende Bevölkerung und damit die Aufrechterhaltung des Betriebs von Amtsgerichten auch im ländlichen Bereich liegt im ureigenen Interesse der Anwaltschaft.

Der Überlegung, mit der Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts auch den Anwaltszwang bis zum Streitwert bis zu EUR 10.000,00 aufzuheben, steht der Vorstand der Rechtsanwaltskammer München allerdings ablehnend gegenüber: Die Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts darf nicht dazu führen, dass der Anwaltszwang bei Streitwerten, in denen er aktuell besteht, aufgehoben wird. Es muss vielmehr dafür Sorge getragen werden, dass § 78 Abs. 1 ZPO geändert wird, dass also in Verfahren vor den Amtsgerichten bei Streitigkeiten über Ansprüche von mehr als EUR 5.000,00 Anwaltszwang besteht, um einen Gleichklang mit § 23 Nr. 1 GVG in der aktuellen Fassung zu erzielen. Mit Beibehaltung des Anwaltszwangs wird ein rechtlich fundierter Parteivortrag gewährleistet, dessen Verzicht nicht im Interesse der Justiz liegen kann.