Fachanwalt/Fachanwältin? Kann ich!

Drei Portraits zum Thema Fachanwaltschaften

Dr. Frank Remmertz

 

Sehr geehrter Herr Dr. Remmertz, Sie sind seit 2008 Mitglied des Vorstands der Rechtsanwaltskammer München und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und für Informationstechnologierecht. Warum ist eine Spezialisierung innerhalb der Anwaltschaft aus Ihrer Sicht sinnvoll und wichtig?

Die Qualifikation als Fachanwalt bietet im Zeitalter zunehmender Spezialisierung die einzigartige Möglichkeit, sich gegenüber potenziellen Mandanten als Experte zu präsentieren und sich dadurch von der Konkurrenz abzuheben.

Nur der Fachanwalt bietet Gewähr für „geprüfte Qualität“, weil der Titel von der Rechtsanwaltskammer nur dann verliehen wird, wenn besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen nachgewiesen werden. Da die Spezialisierung stetig voranschreitet, werden geprüfte Spezialkenntnisse auch immer wichtiger.

Würden Sie Ihren Kolleginnen oder Kollegen empfehlen, einen Fachanwaltstitel zu erwerben? 

Unbedingt empfehlenswert für alle, die sich spezialisieren und dies durch eine Qualifikation werbewirksam kundtun möchten. Statistiken belegen, dass durch eine Fachanwaltsqualifikation auch höhere Umsätze erzielt werden können. Nach der BRAO können bis zu drei Fachanwaltsbezeichnungen erworben werden.

Seit 2014 gehören Sie der Vorstandsabteilungen VI – Fachanwaltschaften – der RAK München an und waren von 2014 bis 2022 deren Vorsitzender. Warum haben Sie sich entschieden, in diesem Bereich ehrenamtlich tätig zu sein?

Als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz habe ich viel mit Wettbewerbsrecht zu tun. Im Jahr 2014 wurde in der Abteilung VI ein zusätzlicher Wettbewerbsrechtler benötigt, weil die Abteilung auch für Verstöße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) zuständig ist, die erforderlichenfalls wettbewerbsrechtlich verfolgt werden. Mit der Arbeit in der Abteilung bin ich dann auch mit den Fachanwaltschaften vertraut geworden und habe festgestellt, dass das nicht nur eine sehr interessante Materie des Berufsrechts ist, sondern es auch Freude bereitet, Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg zu ihrer Fachanwaltschaft zu unterstützen.

Welche Aufgaben übernimmt die Abteilung innerhalb des Zulassungsprozesses zur Fachanwaltschaft? Welche Aufgabe übernehmen Sie persönlich?

Die Abteilung VI ist für die Prüfung der Zulassungsanträge zuständig und wird dabei durch die einzelnen Fachausschüsse unterstützt. Die Fachausschüsse bereiten Voten mit einem Entscheidungsvorschlag vor, die dann von der Abteilung VI überprüft werden. Jedem Mitglied der Abteilung sind einzelne Fachanwaltsbereiche zugeordnet. Entschieden wird aber immer von allen Mitgliedern der Abteilung, die in der Regel einmal im Monat tagt, bei Bedarf auch häufiger.
In meinen Zuständigkeitsbereich fallen aktuell das IT-Recht, das Internationale Wirtschaftsrecht und das Vergaberecht.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial im Zulassungsprozess im Fachausschuss?

Die Mitglieder der Fachausschüsse leisten sehr gute Arbeit und sind sehr engagiert. Natürlich wünscht sich mancher Bewerber, dass es mit seinem Antrag auch mal schneller geht. Nach meiner Erfahrung kommt es aber nur selten zu unnötigen Verzögerungen. Aktuell sehe ich keinen Bedarf, die Arbeit der Fachausschüsse zu verbessern. Hierbei ist zu beachten, dass die Fachanwaltsordnung (FAO) den Ausschüssen bei der Prüfung der praktischen Fälle keine Qualitätsprüfungen erlaubt, sondern nur, ob die jeweils in der FAO vorgesehene Anzahl an Fällen erreicht wurde. Es wäre wünschenswert, den Fachausschüssen insoweit mehr Kompetenzen einzuräumen. Dafür müsste aber die FAO geändert werden.  

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Fachanwaltsausbildung aus? Wird die Fachanwaltsausbildung noch spezialisierter, wird es künftig noch mehr Fachanwaltschaften geben?

Die Kombination des Nachweises von theoretischen Kenntnissen und praktischen Erfahrungen hat sich meines Erachtens bewährt. Bei den Fachgebieten ist mit insgesamt 24 Fachanwaltsbezeichnungen eine gewisse „Sättigung“ eingetreten. Dabei ist die Entwicklung zu beobachten, dass sich die Bezeichnungen stärker an den konkreten Mandatsbedürfnissen und weniger an bestimmte Rechtsgebiete ausrichten. Ein Beispiel dafür ist der rechtsübergreifende Fachanwalt für Opferrecht, der aber zuletzt leider nicht die erforderliche Mehrheit der Satzungsversammlung erhalten hat. Mit neuen rechtlichen Anforderungen und Spezialisierungen wird es voraussichtlich weiterhin neue Fachanwaltschaften geben, denkbar z. B. in Bereichen wie Datenschutzrecht, Compliance oder Legal Tech.


Dr. Hans-Christoph Schimmelpfennig

 

Sehr geehrter Herr Dr. Schimmelpfennig, Sie sind seit 1999 Fachanwalt für Arbeitsrecht. Warum haben Sie sich damals für diese Fachanwaltschaft entschieden bzw. wie sind Sie mit dem Arbeitsrecht erstmals in Kontakt gekommen?

In den 1990er Jahren hat sich eine immer stärkere Spezialisierung innerhalb der Anwaltschaft entwickelt; auch in den sogenannten Großkanzleien wurden die Anforderungen in der Mandatsbearbeitung fachlich spezifischer.

Diesen Anforderungen galt es zu entsprechen, und der Fachanwaltskurs und das konzentrierte Bearbeiten der erforderlichen Fälle für den Erwerb des Titels waren für mich eine willkommene und auch als nötig empfundene Gelegenheit, gleichsam einen „fachlichen booster“ zu bekommen – das zweite Staatsexamen lag ja bald zehn Jahre zurück.
Das Fachgebiet Arbeitsrecht hat sich über die konkrete Arbeit und die Anforderungen entwickelt, die sich in mir persönlich besonders wichtigen Mandaten ergaben; gerade im kollektiven Arbeitsrecht gibt es große Gestaltungsspielräume mit spannenden Verhandlungssituationen, und man arbeitet immer ganz nah an den wirklichen Bedürfnissen und Sorgen des Unternehmens und der Belegschaft, da, wo es „menschelt“. 

Würden Sie Ihren Kolleginnen oder Kollegen empfehlen, einen Fachanwaltstitel zu erwerben?

Unbedingt! Die fachliche Fokussierung und die besondere Pflicht zur kontinuierlichen Fortbildung verbessern die Qualität der eigenen Arbeit erheblich. Das dient der Mandantschaft und zugleich der persönlichen Zufriedenheit, nicht zuletzt weil es einen ruhiger schlafen lässt! Natürlich bewirkt eine Fachanwaltschaft eine gewisse Einengung des Arbeitsschwerpunktes, aber im Hinblick auf die leider immer weiter steigende Komplexität in der Juristerei ist es ohnehin illusorisch zu glauben, man könne noch alles können. Und der Markt honoriert die Spezialisierung, wie alle diesbezüglichen Untersuchungen und Zahlen belegen.

Seit 2004 sind Sie bei der RAK München Vorsitzender des Fachausschusses für Arbeitsrecht, der größten Fachanwaltschaft. Welche Schwerpunkte hat diese Tätigkeit? 

Wir kümmern uns um die reinen Formalien, insbesondere also die Absolvierung des Fachlehrganges nebst den Klausuren und vor allem die Erreichung der erforderlichen Fallzahl innerhalb des Dreijahreszeitraums. Besondere Fragestellungen treten bei Verlängerungen des Dreijahreszeitraums aus besonderen Gründen (Elternzeit, Erziehungsurlaub etc.) auf, eine Thema, das in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Ein deutlicher Schwerpunkt liegt in der Überprüfung der Fallliste im Hinblick auf die Erreichung der erforderlichen Mindestfallzahlen in den einzelnen fachlichen Bereichen des Arbeitsrechts. Hierfür den richtigen Maßstab zu finden, um einerseits den Wert des Fachanwaltstitels im Interesse der Mandantschaft und der Fachanwaltschaft insgesamt nicht auszuhöhlen und andererseits der Berufsfreiheit im Einzelfall Rechnung zu tragen und keine überzogenen Anforderungen zu stellen, hat uns im Fachausschuss oft Kopfzerbrechen bereitet. In der Regel wird aber auf die Nachforderungen und Auflagen des Fachausschusses gut und sachgerecht reagiert, bzw. kann durch ein Fachgespräch die nötige Überzeugung gewonnen werden. 

Warum haben Sie sich für dieses Ehrenamt bei der Kammer entschieden?

Ich halte sehr viel von „verkammerten“ freien Berufen, die aber das Rückgrat einer starken berufsständischen Interessenvertretung benötigen, damit sie Gestaltungskraft im politischen Gesamtkontext haben und erhalten können. Dabei sind gerade die Gestaltungsmöglichkeiten im Berufsrecht, die über die Kammern den freien Berufen zukommen, ein Privileg und wesentlicher Baustein der Absicherung einer freien Berufsausübung. Sicher sind manche nicht mit jeder Entscheidung „ihrer“ Kammer zufrieden, und Konfliktfreiheit ist damit auch nicht garantiert; aber wenn wir die Advokatur als freien Beruf in diesem Sinne erhalten wollen, müssen wir auch etwas dafür tun. Deshalb habe ich mich der Anfrage eines geschätzten Kollegen, ob ich nicht im Fachausschuss mitwirken wolle, nicht widersetzt, sondern zugesagt. 

Hat sich der Zulassungsprozess zur Fachanwaltschaft für Arbeitsrecht und die Arbeit des Fachausschusses im Laufe der Zeit verändert? 

Die Zahl der Anträge ist nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren eher zurückgegangen; zugleich gibt es mehr „problematische“ Anträge, bei denen die erforderlichen besonderen Erfahrungen und Kenntnisse zunächst nicht überzeugend dargelegt wurden – es bedarf dann (oft mehrfacher) Nachbesserungen seitens der Antragstellerinnen und Antragsteller. Oft erstaunte auch eine gewisse Nachlässigkeit bei der Beschreibung der Fälle und eine nicht nachvollziehbare oder sogar fehlende Zuordnung zu den einzelnen Bereichen des Arbeitsrechts. Wer hier sorgfältig arbeitet und z. B. aussagekräftige Beschreibungen liefert, kann sich Nachfragen und Auflagen ersparen und kommt schneller zum Ziel! 

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial im Zulassungsprozess im Fachausschuss?

Nach einigen Mühen haben wir uns inzwischen an die „Web-Akte“ gewöhnt, wenngleich das Arbeiten in dieser Akte oft etwas mühsam ist, auch im Hinblick auf die Lesbarkeit und die Auffindbarkeit der einzelnen Komponenten; hier könnte mit einer verbesserten Gliederung vielleicht noch eine größere Übersichtlichkeit und bessere Lesbarkeit erreicht werden.
Der institutionalisierte Erfahrungsaustausch unter den Fachausschüssen und Fachausschussmitgliedern, der nach meiner Beobachtung unter der Corona-Zeit etwas gelitten hat, sollte wieder belebt werden, ebenso die Informationen über aktuelle Rechtsprechung zu streitigen Fragen der FAO.      

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Fachanwaltsausbildung aus?

Ich sehe im Moment wenig akuten Änderungsbedarf. Die digitalisierten Formate für die Fachlehrgänge sind sicherlich hilfreich, wenngleich sie einen wesentlichen Bestandteil der Ausbildung, nämlich den persönlichen Kontakt zu den Ausbildern wie auch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fachanwaltskurse nicht ersetzen können. Es wird im Übrigen weiter darum gehen, das Fachwissen in der nötigen Tiefe kompetent zu vermitteln und auch durch die Klausuren abzuprüfen, und den Erwerb der besonderen praktischen Erfahrungen tatsächlich anhand von aussagekräftigen Falllisten nachweisen zu müssen. Das Angebot an qualifizierter fachlicher Fortbildung und Austausch unter Fachanwälten durch die örtlichen Kammern, z. B. in Form der (abendlichen) Vorträge, sollte unbedingt beibehalten und möglichst weiter ausgebaut werden. 


Isabel Rayer

 

Sehr geehrte Frau Rayer, Sie sind seit 2005 zur Anwaltschaft zugelassen, sind seit 2009 Fachanwältin für Verkehrsrecht. 2018 kam der Fachanwaltstitel für Strafrecht, 2022 der für Versicherungsrecht dazu. Warum haben Sie sich dafür entschieden, Fachanwältin zu werden – und das in gleich drei Fachgebieten?

Nach dem 2. Staatsexamen stellte ich mir die Frage: Was fange ich jetzt mit dieser Ausbildung an? Wo soll die berufliche Reise hingehen?

Schließlich entschied ich mich dazu, als Rechtsanwältin arbeiten zu wollen, beantragte die Zulassung und wurde auch tatsächlich - obwohl Berufsanfängerin – in einer renommierten Kanzlei im Allgäu eingestellt. Dort wurden mir u. a. die Referate „Strafrecht“ und „Verkehrsrecht“ zugeteilt und schnell war klar, das „matcht“!

Auch Anwälte brauchen Verkaufsargumente! Warum sollen Mandanten also gerade zur mir kommen? Warum gerade mir ihr Vertrauen schenken? Ein Grund kann ein Fachanwaltstitel sein. Durch einen Fachanwaltstitel haben Mandanten die Sicherheit, dass der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin regelmäßig Mandate in diesem Bereich betreut und sich auch auf theoretischer Ebene eingehend mit diesem Fachgebiet beschäftigt hat. Gerade für Privatleute ist es oft eine enorme Herausforderung, den richtigen Rechtsanwalt für ihre Rechtsfrage zu finden. Wie auch bei mir, geht ein Fachanwaltstitel meist mit einer Spezialisierung der anwaltlichen Tätigkeit einher und kann dem Ratsuchenden somit eine Orientierungshilfe bei der Auswahl seines Rechtsanwalts bieten. Die Spezialisierung erlaubt es mir, Mandanten gezielter zu akquirieren und Fälle effizienter zu bearbeiten. Durch meine Außenpräsentation als Fachanwältin für Verkehrsrecht, Strafrecht und Versicherungsrecht ist offensichtlich, bei welchen Rechtsfragen eine Kontaktaufnahme mit mir für den Mandanten Sinn macht.

Wie kam es zu dieser Auswahl bzw. Kombination von Fachanwaltstiteln? 

Das Tragen eines Fachanwaltstitels ist untrennbar mit einer Positionierung des Anwalts am Markt verbunden. Ich bin in einer verkehrsrechtlich ausgerichteten Kanzlei tätig und nachdem bei einem Verkehrsunfall oftmals auch strafrechtliche und versicherungsrechtlichen Fragen eine entscheidende Rolle spielen, lag die Kombination der drei Fachanwaltstitel auf der Hand. Es war somit eine strategische Entscheidung, die mit unserer Kanzleistrategie in Einklang steht.

Haben Sie einen Liebling unter Ihren Spezialgebieten? Wenn ja, warum?

Einen Liebling unter meinen Spezialgebieten habe ich nicht. Die strafrechtlichen Mandate sorgen aber für sehr viel Abwechslung im Anwaltsalltag. Natürlich beschäftige ich mich aufgrund der verkehrsrechtlichen Ausrichtung unserer Kanzlei überwiegend mit den alltäglichen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im Straßenverkehr. Durch den Fachanwaltstitel im Strafrecht werde ich aber auch in Strafverfahren mandatiert, die weit über diese Alltagsfälle hinausgehen.

Planen Sie, einen weiteren Fachanwaltstitel zu erwerben? [Anmerkung der Redaktion: Es können maximal drei Fachanwaltstitel gleichzeitig geführt werden, so dass bei einem vierten Titel einer der bestehenden drei aufgegeben werden müsste.]

Nachdem ich mich beruflich nicht umorientieren möchte und die Titel zu meiner Person und unserer Kanzleistrategie passen, ist derzeit kein weiterer Titel geplant. 
Aber: Sag niemals nie!

Würden Sie Ihren Kolleginnen oder Kollegen empfehlen, einen Fachanwaltstitel zu erwerben?

Es kommt darauf an: Als Fachanwalt positioniert man sich und wird damit zwangsläufig als Spezialist für ein bestimmtes Fachgebiet wahrgenommen. Das kann sich positiv, aber auch negativ auf den beruflichen Erfolg als Anwalt auswirken. Negativ beispielsweise dann, wenn der Titel nicht zum Kanzleikonzept passt oder Mandanten daraus den Umkehrschluss ziehen, dass man sich in anderen Rechtsgebieten nicht auskennt. 
Ob ein Fachanwaltstitel Sinn macht, hängt also maßgeblich davon ab, mit welchem Ziel und in welcher Kanzlei man als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin am Markt tätig sein möchte. 
Weiter sollten die Kollegen/Kolleginnen bei der Entscheidung darüber, ob sie einen Fachanwaltstitel tragen möchten oder nicht, die damit verbundene Fortbildungspflicht von derzeit 15 Stunden/Jahr mit berücksichtigen. Trotz der Kosten für die Fortbildung muss der Fachanwaltstitel im Ergebnis wirtschaftlich sinnvoll sein und bleiben.

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