Anwaltliches Vergütungsrecht

Relevanz hat einen Preis
TEXT: RA Leonora Holling, Präsidentin RAK Düsseldorf

Die Rechtsanwaltschaft wartet seit Jahren auf die längst überfällige Anhebung ihrer Gebühren. Nachdem im Gesetzgebungsverfahren auf Länderebene die Änderung des diesbezüglichen Kostenrechtsänderungsgesetzes schon drohte gestoppt zu werden, tritt dieses nun zum 01.01.2021 in Kraft.

RVG-Anpassung in den Gesetzgebungsgremien

Folgt man den Berichten von DAV und BRAK anlässlich der Expertenanhörung am 16.11.2020 im Bundestag, so könnte die Anpassung des RVG nach dem Entwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 (KostRÄG 2021) nun doch entgegen anderslautender Befürchtungen zum Jahreswechsel anstehen. Die ablehnende Haltung des Finanzausschusses des Bundesrates, der für eine Verschiebung in das Jahr 2023 plädierte, scheint vom Tisch.

Die Länder werden diesbezüglich nach der Zustimmung im Bundestag im Dezember erneut abstimmen. Interessanterweise begründete der Finanzausschuss des Bundesrates seine ablehnende Haltung zum KostRÄG mit den wirtschaftlichen Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie. Dabei sei aber nicht nur auf die Länderhaushalte, sondern auch auf die finanzielle Lage der Bevölkerung und der Wirtschaftsunternehmen Rücksicht zu nehmen. 

Anpassungen des RVG zum Jahreswechsel

Dass die wirtschaftliche Lage der Anwaltschaft ebenfalls durch die Pandemie betroffen ist, scheint hierbei durch den Ausschuss ausgeblendet worden zu sein. So berichtete der Präsident der BRAK im Rahmen der Expertenanhörung von einer Erhebung, nach der über 10 % der befragten Rechtsanwälte angegeben haben, wegen Umsatzeinbußen konkrete Existenzsorgen zu hegen. 20 % der Rechtsanwälte berichteten sogar, derzeit auf Soforthilfen angewiesen zu sein. Da der Bundesrat der Empfehlung seines eigenen Finanzausschusses nicht gefolgt ist, geht das Gesetzgebungsverfahren nunmehr weiter seinen Gang. Zudem sieht das KostRÄG nicht nur eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren vor, sondern koppelt diese unter anderem an eine Erhöhung der Gerichts- und Gerichtsvollziehergebühren.

Anpassung der Vergütung an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen  

Die Aussagen der Kollegenschaft über eine derzeit angespannte Wirtschaftslage verwundern nicht, hat die Anwaltschaft in den letzten Jahren doch massive Vermögenseinbußen hinnehmen müssen. Die letzte Gebührenanpassung für die Anwaltschaft datiert vom 01.08.2013. Dabei war diese Erhöhung schon seinerzeit als ungenügend empfunden worden, da sie kaum eine Kompensation der gestiegenen Betriebskosten einer Anwaltskanzlei aufzufangen vermochte.

Seit der letzten Erhöhung sind so etwa die allgemeinen Verbrauchspreise um 17 % bis
18 % gestiegen, Tariflöhne sogar um mehr als 19 %. Zudem haben sich die Betriebskosten der Kanzleien spätestens seit verpflichtender Nutzung des beA deutlich um den Faktor Digitalisierung erweitert. Wenn die Politik einerseits eine Anwaltschaft erwartet, die aktiv am elektronischen Rechtsverkehr der Justiz mitwirkt, müssen diese Investitionen andererseits in den Kanzleien eine gebührenrechtliche Entsprechung finden. 

... die frühere Quersubventionierung der Mandate funktioniert nicht mehr...

Was als Unternehmerlohn im anwaltlichen Bereich übrig bleibt, ist bei dieser Überlegung noch nicht einmal berücksichtigt. Seitdem der spezialisierte Rechtsanwalt am Markt nachgefragt wird, funktioniert die frühere „Quersubventionierung“ der Mandate zudem nicht mehr. Wer daher in Rechtsgebieten tätig ist, in denen sich eine Vergütungsvereinbarung selten schließen lässt, kann ohne eine "Gebührenanpassung" auf Dauer wirtschaftlich nur schwer sein Auskommen finden.

Die Änderungen des RVG im Kern

Neben der Forderung der Anwaltschaft nach einer linearen Erhöhung der Gebühren insgesamt geht es zudem um die Ausbesserung der strukturellen Schwächen des RVG, die sich seit dessen Einführung in der Praxis gezeigt haben.

Im Rahmen der linearen Gebührenanhebung sollen nach dem KostRÄG die Wert-, Fest- und Betragsrahmengebühren jetzt zumindest um 10 % steigen. Bei den Gebühren im Bereich Sozialrecht soll die Steigerung sogar 20 % ausmachen, da hier die Gebühren bereits seit langem als unverhältnismäßig niedrig eingestuft wurden. Im Rahmen der Kindschaftssachen soll der Verfahrenswert auf EUR 4.000 und die Kappungsgrenze bei Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe auf EUR 50.000 angehoben werden. Die Forderung der Anwaltschaft, eine dynamische Komponente durch Verwendung eines Index in das RVG einzufügen, um zukünftige Kostensteigerungen schneller abzufedern, wurde aber leider nicht berücksichtigt.

Streitpunkte zwischen Staatskasse und Anwaltschaft, wie etwa im Bereich der Anrechnung von anrechnungsfähigen Zahlungen bei Prozesskostenhilfe oder Erstreckung der PKH auch auf einen Mehrvergleich, sollen hingegen im Sinne der Anwaltschaft geregelt werden. Zudem ist die Anhebung der Kilometerpauschale auf
EUR 0,42 genauso im Gesetzentwurf enthalten, wie eine geringfügige Anhebung der Abwesenheitsschädigung. Lediglich klarstellend wird zudem die Terminsgebühr bei Abschluss eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren auch ohne Beteiligung des Gerichtes festgeschrieben.

Unplanmäßige Wartezeiten und Unterbrechungen bei einer strafrechtlichen Hauptverhandlung sollen nunmehr auch „Teilnahme“ an dieser sein und insoweit in der Termingebühr des Strafverteidigers einfließen. Allerdings darf der Rechtsanwalt diese Umstände nicht selbst zu vertreten haben. Bei einer Unterbrechung über eine Stunde hinaus gilt dies zudem nur, wenn das Gericht den Unterbrechungszeitraum nicht genau zeitlich angeordnet hat bzw. der Fortsetzungstermin nicht konkret benannt worden ist. Insoweit steht leider zu befürchten, dass die Gerichte diese Vorschrift leerlaufen lassen werden. Entsprechende Anordnungen, möglicherweise um (auch) einen erweiterten Gebührenanspruch wegen Dauer einer Hauptverhandlung zu verhindern, konnten in der Vergangenheit bereits bei den zusätzlichen Terminsgebühren beobachtet werden.

Auch eine Deckelung der Anrechnung mehrerer Geschäftsgebühren bezüglich einer Verfahrensgebühr soll nun ausdrücklich festgelegt werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen Auseinandersetzungen mit Rechtsschutzversicherern in diesem Bereich sehr zu begrüßen, genauso wie die Klarstellung des Anfalls der Einigungsgebühr bei der außergerichtlichen Beratung. Die Einreichung eines Schriftsatzes zur Streitverkündung wird endlich als gebührenrechtlich relevante Tätigkeit eingeordnet. Eine Forderung, die die Gebührenreferentenkonferenz der BRAK unablässig geäußert hat, ist eine derartige Streitverkündung doch häufig aufwendig und rechtlich anspruchsvoll.

Leider wurde hingegen das Thema Gebührenanfall für die Teilnahme an einer Beweisaufnahme nicht erneut aufgegriffen. Auch der neue Gebührentatbestand der Nr. 1010 VV RVG ist nach wie vor unzureichend. Die Gebühr wird kaum verdient, da umfangreiche Beweisaufnahmen lang sein können, aber selten an mehreren Terminen stattfinden. Zudem steht die Höhe der Gebühr in keinem Verhältnis des Aufwandes für den betroffenen Rechtsanwalt. 

Fazit

Das KostRÄG 2021 ist kein Gesetz für eine exklusive Erhöhung der Anwaltsgebühren, sondern sieht zugleich die Anhebung der Gebühren nach dem Gerichtskostengesetz vor. Es dient zudem lediglich bezüglich der linearen Erhöhung der Gebühren einer annähernden Kompensation der steigenden Betriebskosten der Anwaltschaft, ohne die tatsächliche Steigerung der Verbrauchspreise oder der Tariflöhne aufzufangen. 

Der Forderung der Anwaltschaft nach einer umfassenden Überarbeitung des RVG anhand der Erfahrungen aus der Praxis wird das KostRÄG 2021 zugleich nicht abschließend gerecht. Viele Unzulänglichkeiten bleiben, nur einige wurden behoben, manche neu geschaffen. Hier wird die Zukunft weisen, welche dringend erforderlichen Änderungen umsetzbar sind. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege anerkannt systemrelevant ist.

... der Forderung der Anwaltschaft wird das KostRÄG 2021 nicht abschließend gerecht.

Denn essentieller Teil des Rechtsstaates ist die wirtschaftlich starke und deshalb unabhängige Rechtsanwaltschaft, die dem Einzelnen den Zugang zum Recht vermittelt. Das hat seinen Preis.

Eine Übersicht der wichtigsten Änderungen finden Sie auf den folgenden Seiten dieser Ausgabe.

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