Auf ein Wort, Frau Elisabeth Schwärzer!

Sie waren über 26 Jahre in der Rechtsanwaltskammer München tätig. Seit 1994, gleich nach der Zulassung zur Anwaltschaft, steuerten Sie als erste Geschäftsführerin der RAK München über ein Vierteljahrhundert die Geschicke des Hauses. Ihr Engagement galt besonders den Bereichen Mitgliederverwaltung und Berufsbildung. Über viele Jahre waren Sie auch in verschiedenen Ausschüssen ehrenamtlich aktiv, z.B. als Mitglied des BRAK-Ausschusses „Berufsbildung“, als stellvertretendes Mitglied im Berufsbildungsausschuss der RAK München sowie des BRAK-Ausschusses „Abwicklung und Vertretung“, dessen Vorsitz Sie in diesem Jahr übernommen haben.

Frau Schwärzer, Sie waren über 26 Jahre als Geschäftsführerin in der RAK München tätig. Das ist eine lange Schaffenszeit. Wenn Sie diese Revue passieren lassen: Was waren Ihre prägendsten Erfahrungen?

Tatsächlich begann am 01.04.1994 meine Tätigkeit als Geschäftsführerin bei der Rechtsanwaltskammer München. Besonders prägend war meine Einarbeitungszeit unter der Ägide von Herrn Hauptgeschäftsführer Dr. Wieland Horn. In dieser Zeit habe ich das Handwerkszeug für die Geschäftsführertätigkeit bei der Rechtsanwaltskammer München erlernt.

Einer meiner interessantesten Bereiche war die Aus- und Fortbildung der Rechtsanwaltsfachangestellten. Am 01.07.1997 konnte nach langer Vorarbeit in den Gremien und Genehmigung im Justizministerium die erste Fortbildungsprüfung zum/zur „Bürovorsteher/Geschäftsleiter – Bürovorsteherin/Geschäftsleiterin“ in Kraft treten. Bereits im Herbst 1997 war es soweit, der Prüfungsausschuss war bestellt und die erste Fortbildungsprüfung in der Geschichte der Rechtsanwaltskammer München konnte durchgeführt werden. Im Februar 1998 wurden die ersten „diplomierten Bürovorsteherinnen“ mit ihren Urkunden ausgezeichnet. Zwischenzeitlich hat sich der Fortbildungsberuf reformiert und sich in die heutige Fortbildungsprüfung zum „Geprüften Rechtsfachwirt/Geprüfte Rechtsfachwirtin“ umgewandelt.

Grundlegende Änderungen kamen auf die Kammer ab 1999 zu. Zum 01.04.1999 wurden, wie in § 224a BRAO a.F. vorgesehen, wesentliche Bereiche aus den Aufgaben der Landesjustizverwaltung in Bayern auf die Kammern übertragen. Dies hatte zur Folge, dass Anträge auf Zulassung einer Anwalts-GmbH ab dem 01.04.1999 an die Kammer zu richten waren, ebenso die Anträge auf Bestellung eines kammerbestellten Vertreters und ab 01.01.2000 die Anträge auf Zulassung zur Anwaltschaft. Um die neuen Aufgaben zu bewältigen, hat die RAK München Personal aus der bisherigen Geschäftsstelle des OLG München im Wege der Abordnung übernommen, um so die Einarbeitung der bisherigen Mitarbeiter im Zulassungswesen sowie den reibungslosen Ablauf der Verfahren sicherzustellen.

Im September 2002 erfolgte der Umzug der Geschäftsstelle der RAK München von der Landwehrstraße in die neuen Räume im Tal 33. Die Kammer hat damals die Immobilie als Eigentümerin erworben. Endlich hatte die Geschäftsstelle, die in der Landwehrstraße aus allen Nähten geplatzt war, mehr Platz und Räume zur Verfügung. Sehr schön wurden die neuen Seminarräume gestaltet; diese waren im Gegensatz zum „Ada“ in der Landwehrstraße mit einer modernen Audio-Anlage ausgestattet.

Im Jahr 2005 forcierte der damaligen Geschäftsführer, Herr Dr. Alexander Siegmund, die Einführung der Digitalakte in der Geschäftsstelle der Rechtsanwaltskammer München. Alle laufenden Mitgliederakten mussten eingescannt und digitalisiert werden. Vorübergehend musste „zweigleisig“ mit Papier und Digitalakte gearbeitet werden. Bald konnte jedoch die riesige Registratur der Kammer, die das ganze 2. Stockwerk belegte, aufgelöst und in moderne Büroräume umgewandelt werden. Die Umstellung fiel sowohl den Mitarbeitern als auch den Geschäftsführern nicht leicht und wurde mit Skepsis beäugt. Heute wäre ein Arbeiten ohne das Dokumentenmanagement-System gar nicht mehr vorstellbar.

Mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung“ zum 01.01.2016 erfuhr die BRAO eine grundsätzliche Anpassung an das weiterentwickelte Berufsbild der Rechtsanwälte, die heute vielfältiger tätig sind als je zuvor. Mit dem Gesetz wurde der berufsrechtliche Status der Syndikusrechtsanwälte erstmals kodifiziert und grundlegende Änderungen im anwaltlichen Berufs-, Arbeits- und Rentenversicherungsrecht vorgenommen. Mit über 2000 Zulassungsanträgen im Jahr 2016 kam die RAK München an ihre Grenzen. Es musste Personal aufgestockt, Überstunden und Wochenendarbeit geleistet werden, um das enorme Arbeitspensum zu bewältigen. Die Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte hatte zur Folge, die Zulassungsanträge vollkommen neu auszurichten und anzupassen. Hinzu kam, dass der Vorstand eine neue Abteilung für die Zulassung der Syndikusrechtsanwälte schuf. Zu Beginn mussten wir alleine mit dem Gesetzestext (§§ 46 ff. BRAO) und der Gesetzesbegründung arbeiten. Erst im Laufe der Zeit ergingen die maßgeblichen Entscheidungen des BGH zu den wichtigsten Themen, die im Zusammenhang mit der Zulassung bzw. Erstreckung von Syndikusrechtsanwälten kontrovers diskutiert wurden.

Ab Ende 2016 kam auf die Rechtsanwaltskammer eine neue Welle zu. Das beA wurde am 01.01.2016 mit rund 165.000 Postfächern für alle Anwälte bundesweit eingeführt und ist nach mehreren Startschwierigkeiten nunmehr in Betrieb. Die BRAK hatte damit ein zukunftsweisendes Kommunikationssystem gestartet, mit dem alle zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten teilnehmen können. Das beA polarisierte die Anwaltschaft. Es gab die Kollegen, die das beA unbedingt wollten und darüber klagten, dass es nicht von Anfang an funktionierte. Es gab aber auch Kollegen, die das beA rundweg ablehnten bzw. ignorierten oder diejenigen, die mit der Technik schlicht überfordert waren. Es halfen nur geduldiges Zuhören, Gespräche mit Engelszungen und Hinweise auf unsere Website.

Zudem war 2020 ein außergewöhnliches Jahr im Hinblick auf die Corona-Pandemie. Die Kammer München konnte ab Beginn der Pandemie nur noch im Krisenmodus arbeiten. Sie musste ihren Parteiverkehr einschränken, alle Veranstaltungen, wie Kammerversammlung und weitere Arbeitssitzungen absagen. Die Vorstands- und Präsidiumssitzungen wurden als Videositzungen vorbereitet und durchgeführt. Die Wahlen zum Vorstand wurden erstmals elektronisch durchgeführt. Die Kammerversammlung erfolgte gemäß COV29FKG in Form einer schriftlichen Abstimmung. Die Seminare wurden überwiegend als Online-Seminare angeboten. Auch die Abschluss- und Fortbildungsprüfungen sowie die Vereidigungstermine für die jungen Rechtsanwälte konnten nur unter Einhaltung besonderer Hygieneauflagen durchgeführt werden. Dies alles stellte sowohl für die Mitarbeiter im Haus als auch für die Geschäftsführung eine große Herausforderung dar.

Insgesamt hoffe ich, dass im nächsten Jahr wieder mehr Alltag in die Kammerarbeit einkehrt und wieder zum normalen Geschäftsbetrieb übergegangen werden kann.

Sie haben sich während Ihrer Zeit in der RAK München spezifischen Tätigkeitsfeldern gewidmet, wie beispielsweise dem Zulassungswesen, dem Bereich Abwicklungen und Amtsvertretungen sowie der Berufsbildung. Welches Thema lag Ihnen besonders am Herzen und warum? 

Von meinem Vorgänger in der Geschäftsführung, Herrn Rechtsanwalt Wolf von Ausin, übernahm ich im Jahr 1994 den Bereich der Mitgliederverwaltung. Damit verbunden waren allen Themen von der Zulassung der Rechtsanwälte, Prüfung von Nebentätigkeiten, Vertreterbestellungen, Befreiung von der Kanzleipflicht, Widerrufsverfahren und Abwicklung von Kanzleien sowie die Betreuung der Verwaltungsverfahren vor dem Bayerischen Anwaltsgerichtshof. Im Laufe der Jahre kamen dann noch die Stellungnahmen an das Registergericht betreffend die Partnerschaftsgesellschaften und die Aufnahme der EuRAG- und WHO-Anwälte sowie mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung“ zum 01.01.2016 die Zulassung der Syndikusrechtsanwälte mit dazu. Im Bereich Zulassungs- und Mitgliederangelegenheiten lag mir stets der persönliche Kontakt mit unseren Mitgliedern am Herzen. Bevor man einen Bescheid erstellt, sollte man gerne auch mal zum Telefonhörer greifen und nach den Hintergründen fragen. In manchen Fällen ergaben sich bei diesen Gesprächen praktikable Lösungen außerhalb eines Verwaltungsverfahrens.

Mein besonderes „Hobby“ und Anliegen all die Jahre war die Aus- und Fortbildung der RA-Fachangestellten. Hier durfte ich den Berufsbildungsausschuss, die zuständige Abteilung XI des Vorstands und die Prüfungs- und Aufgabenausschüsse betreuen. Es ist immer wieder eine Herausforderung, jedes Jahr die Zwischen-, die beiden Abschlussprüfungen sowie die Fortbildungsprüfung in Zusammenarbeit mit allen Ehrenamtlichen zu stemmen. Damit verbunden ist die Zusammenarbeit mit über 100 Ehrenamtlichen aus den Berufsgruppen der Rechtsanwälte, Rechtsfachwirte und Lehrkräfte. An dieser Stelle möchte ich ein besonders großes Lob an alle Ehrenamtlichen in diesem Bereich aussprechen. Ohne ihre engagierte Mitwirkung wäre die Erstellung der Prüfungsaufgaben, die Durchführung aller Prüfungen und letztendlich die obligatorische jährliche Abschlussfeier, die leider in diesem Jahr nicht stattfinden konnte, nicht möglich. Trotz aller Anstrengungen gehen derzeit die Ausbildungszahlen zurück. Ich wünsche mir, dass der Ausbildungsberuf weiterhin attraktiv bleibt und künftig ausreichend Schülerinnen und Schüler für diesen Beruf gewonnen werden können.

Welche Tipps möchten Sie Ihrem Nachfolger/Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg geben? 

An dieser Stelle möchte ich mich zunächst sehr herzlich bei meinen Kolleginnen aus der Geschäftsführung der Rechtsanwaltskammer München Frau Brigitte Doppler, Frau Simone Kolb und Frau Claudia Krafft bedanken. Mein Dank gilt der kollegialen, konstruktiven und freundschaftlichen Zusammenarbeit in all diesen Jahren. Gleichzeitig wünsche ich den drei Geschäftsführerinnen für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg bei der Führung der größten Rechtsanwaltskammer im Bundesgebiet.

Tipps für meine Nachfolgerin/meinen Nachfolger möchte ich nicht geben. Hier hoffe ich, dass die Geschäftsführung unsere bisherige Arbeit fortsetzt, aber auch neue Ideen entwickelt und Akzente setzt.

Was hat Sie bewogen, Anwältin zu werden? Welche Eigenschaften brauchen Anwälte aus Ihrer Sicht in besonderem Maße?

Mit der Aufnahme meiner Tätigkeit als Geschäftsführerin bei der Rechtsanwaltskammer München habe ich zeitgleich die Zulassung als Anwältin beantragt. Ich wollte mit den Kolleginnen und Kollegen auf Augenhöhe sprechen.

Anwälte müssen zum einen gute Juristen sein und ihr Fachgebiet beherrschen, aber auch ökonomisch handeln können. Nicht jedes Mandat muss angenommen werden. Anwälte benötigen Kompetenzen in der Personalführung. Um Arbeit delegieren zu können, ist der Anwalt nach wie vor auf gutes und qualifiziertes Kanzleipersonal angewiesen und sollte dementsprechende Qualitäten mitbringen. Trotz aller Digitalisierung, Kanzleimanagement und „Ärger mit dem beA“ sollte aber auch der Mandant nicht aus den Augen verloren werden.

Was raten Sie jungen Kolleginnen und Kollegen, die gerade am Anfang stehen? Vor welchen Herausforderungen standen Sie im Zeitpunkt Ihrer Zulassung und wo sehen Sie die größten Herausforderungen für junge Anwälte heute?

Zu meiner Zeit machten sich noch viele Juristen aus dem Stand heraus selbständig oder arbeiteten als freie Mitarbeiter in einer Kanzlei, bevor sie sich selbständig machten. Das ist heute so nicht mehr. Abfragen bei den Vereidigungsterminen ergeben regelmäßig, dass die jungen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte meistens eine Anstellung in einer Kanzlei oder in einer Rechtsabteilung einer Firma haben. Der Trend geht demnach ins Anstellungsverhältnis. Die Berufschancen für Rechtsanwältinnen und -anwälte sind derzeit sehr gut. Im Rahmen der Telefonate und Gespräche mit jungen Kolleginnen und Kollegen stehen auch Themen wie Work-Life-Balance, Homeoffice, Elternzeit und Sabbatical an. Große Chancen der jungen Anwälte sehe ich in den Bereichen Digitalisierung und Legal Tech. Als „digital natives“ haben sie hier einen großen Vorteil gegenüber der „älteren“ Anwaltsgeneration.

Welche Herausforderung sehen Sie auf die Anwaltschaft in Zukunft zukommen? Und wie können wir ihnen Ihrer Einschätzung nach begegnen?

Der Anwaltsmarkt verändert sich weiterhin. Insbesondere die Spezialisierung schreitet stetig voran. Digitalisierung und Legal Tech werden die Anwaltschaft in Zukunft beschäftigen und derzeit in allen Aufsätzen der juristischen Fachzeitschriften groß diskutiert. Den Anwalt mit dem Schönfelder und der Schreibmaschine auf dem Schreibtisch sowie NJW-Jahrgänge bis anno domini im Bücherregal gibt es seit über 20 Jahren nicht mehr. Bereits heute gibt es die virtuelle Mandatsakte, alle Kommentare und wesentlichen Entscheidungen sind online abrufbar. In Zukunft wird die virtuelle Kanzlei, virtuelle Gerichtsverhandlung sowie Legal Tech auch in Bezug auf Sammelklagen usw. folgen. Die Anwaltschaft wird sich wandeln; sie muss offen sein gegenüber den neuen digitalen Herausforderungen.

Und zum Schluss noch eine persönliche Frage: Nach so vielen Jahren im Arbeitsleben ist der Eintritt in den Ruhestand ein besonderer Einschnitt. Was haben Sie sich für die kommende Zeit vorgenommen? Gibt es Pläne?

In diesem Jahr habe ich mir einen Traum erfüllt und bin von München in ein Städtchen in den Bayerischen Voralpen gezogen. Für die Zukunft wünsche ich mir noch viele schöne Touren in den Bergen und in der Natur. Ich freue mich auf meine freie Zeit. Natürlich bin ich als „Münchner Kindl“ der Stadt München von Herzen zugetan. Mit meinem neuen Wohnsitz bin ich nur eine Stunde Fahrzeit von München entfernt und kann so von den Kultur-, Freizeit- und Veranstaltungsangeboten der Stadt München profitieren.

Auch künftig werde ich der Rechtsanwaltskammer München und der Anwaltschaft  freundschaftlich verbunden bleiben und meinen „Ehrenämtern“ als Mitglied im Berufsbildungsausschuss und im BRAK Ausschuss Abwicklung/Vertretung weiterhin treu bleiben.

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