Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts

Tiefgreifende Neuerungen im Restrukturierungs- und Insolvenzrecht im Jahr 2021
TEXT: RA und FAInsR Dr. Matthias Hofmann, POHLMANN HOFMANN, München

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) plant mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) für das Jahr 2021 umfassende Änderungen im Insolvenzrecht. Zugleich soll die EU-Restrukturierungsrichtlinie1 umgesetzt werden, indem ein Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen als vorinsolvenzliches und insolvenzvermeidendes Restrukturierungsverfahren geschaffen wird. Der vorliegende Beitrag fasst die wesentlichen Inhalte und den Stand des Gesetzgebungsverfahrens kurz zusammen.

I.    Stand des Gesetzesvorhabens
Das BMJV hat am 18.09.2020 zunächst einen – mit Gesetzesbegründung rund 250 Seiten starken – Referentenentwurf des SanInsFoG vorgelegt, zu dem Berufs- und Wirtschaftsverbände binnen kurzer zweiwöchiger Frist angehört wurden. Nach Vorliegen einer Vielzahl von Stellungnahmen – unter anderem auch von Seiten der Bundesrechtsanwaltskammer – legte das BMJV bereits am 14.10.2020 einen Regierungsentwurf (RegE) des SanInsFoG vor.2 Derzeit ist das Gesetz Gegenstand der Beratungen im Deutschen Bundestag. Ob das Gesetz – wie im RegE vorgesehen – bereits am 01.01.2021 in Kraft treten wird oder ob angesichts der laufenden Beratungen und Diskussionen zu einigen kontrovers diskutierten Teilbereichen des Gesetzesentwurfs ein Inkrafttreten erst im Frühjahr oder Sommer 2021 erfolgen wird, ist aktuell noch offen.

II.    Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie durch das StaRUG
Das SanInsFoG enthält dabei als Artikel-Gesetz neben Gesetzen zur Änderung verschiedener Rechtsvorschriften insbesondere das neue Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), das als Kern der geplanten Reform bezeichnet werden kann. Das StaRUG wird – sofern der Regierungsentwurf beschlossen wird – in 108 Paragraphen die EU-Restrukturierungsrichtlinie umsetzen und völlig neuartige Rahmenbedingungen für die Restrukturierung von Unternehmen, aber zugleich auch teils neuartige Haftungstatbestände für Vorstände und Geschäftsführer sowie Aufsichtsräte und Gesellschafter schaffen. Im Einzelnen sind folgende wesentliche Regelungen vorgesehen:

  • In §§ 1-3 StaRUG-E normiert das Gesetz Pflichten zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement bei juristischen Personen. Wesentlich ist dabei künftig die in § 2 StaRUG-E vorgesehene Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit – also noch vor Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Eine Verletzung der Pflicht kann gemäß § 3 StaRUG-E zur Haftung der verantwortlichen Personen in der Geschäftsleitung, aber auch in Aufsichtsräten oder Gesellschaftergremien führen.
  • Der in §§ 4-30 StaRUG-E geregelte Restrukturierungsplan darf als Kern künftiger Restrukturierungen nach dem StaRUG angesehen werden. Der Restrukturierungsplan ist dabei – ähnlich wie ein Insolvenzplan nach §§ 217 ff. InsO – als Instrument zur finanzwirtschaftlichen Restrukturierung ausgestaltet, wobei nach der Wahl des insolventen Unternehmens alle Gläubigerforderungen – mit Ausnahme von Arbeitnehmerforderungen (einschließlich Altersversorgung) – oder alternativ nur bestimmte Gruppen von Gläubigerforderungen einbezogen werden können. Daneben ist auch eine Einbeziehung von Sicherungsrechten, von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten der Gesellschafter und sogar von Drittsicherheiten innerhalb einer Unternehmensgruppe möglich. Das Abstimmungsverfahren findet – regelmäßig nach Wahl des insolventen Unternehmens – entweder unter der Führung des Unternehmens selbst oder aber in einem gerichtlichen Termin statt, wobei auch eine schriftliche Zustimmung zum Plan möglich ist. Die Planannahme setzt regelmäßig die Zustimmung von 75 % der jeweils betroffenen Gläubiger oder Gesellschafter voraus, wobei eine Ersetzung der fehlenden Zustimmungen durch Gerichtsbeschluss in bestimmten Fällen möglich ist.
  • In §§ 31-79 StaRUG-E finden sich die Regelungen zum sog. „Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen“ und zu dessen Instrumenten. Für das dabei vorgesehene gerichtliche Verfahren ist als Restrukturierungsgericht jeweils das Amtsgericht am Standort eines Oberlandesgerichts zuständig, wobei den Ländern zwar die Bestimmung eines anderen Amtsgerichts oder auch die Zusammenlegung mehrerer OLG-Bezirke, nicht jedoch die Einrichtung mehrerer Restrukturierungsgerichte – z.B. auf LG-Bezirksebene – ermöglicht wird.3 Dem Restrukturierungsgericht obliegt insbesondere die Bestätigung eines Restrukturierungsplans, die zur Verbindlichkeit für alle Beteiligte – auch die nicht zustimmenden Gläubiger und Gesellschafter – führt und zudem in gewissem Umfang Schutz vor einer späteren Insolvenzanfechtung bietet. Daneben kann das Restrukturierungsgericht auf entsprechenden Antrag eine gerichtliche Vorprüfung des Restrukturierungsplans vornehmen,4 einen gerichtlichen Abstimmungstermin durchführen,5 Vollstreckungssperren und Einziehungsverbote für Sicherungsgut (z. B. unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Waren) anordnen (sog. „Stabilisierungsanordnung“)6 und sogar bestimmte noch laufende Verträge und Dauerschuldverhältnisse beenden („Vertragsbeendigung“).7
  • Darüber hinaus enthält das StaRUG Regelungen zum sog. Restrukturierungsbeauftragten,8 der als von Seiten des Gerichts bestellte Amtsperson die Restrukturierungsverhandlungen im Interesse der Gläubiger begleiten soll, wobei das Gesetz nur in Ausnahmefällen eine Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten zwingend erfordert. In den meisten Fällen wird der Restrukturierungsbeauftragte auf Antrag des Unternehmens oder eines bestimmten Gläubigerquorums bestellt werden.
  • Als dem eigentlichen Restrukturierungsverfahren fakultativ vorgelagert, schafft das StaRUG zudem eine sog. „Sanierungsmoderation“, in deren Rahmen ein Unternehmen versuchen kann, seine Krise – ggf. sogar weit vor der Insolvenz – durch einen Sanierungsvergleich abzuwenden. Ein solcher Sanierungsvergleich kommt jedoch nur mit Zustimmung aller Betroffenen zustande, wobei der Sanierungsvergleich bei Bestätigung durch das Gericht denselben Schutz vor einer späteren Insolvenzanfechtung genießt wie ein gerichtlich bestätigter Restrukturierungsplan.
  • Zuletzt regelt das StaRUG in § 108 StaRUG-E noch eine (haftungsbewehrte) Verpflichtung von bei der Erstellung von Jahresabschlüssen hinzugezogenen Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten, auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes hinzuweisen.

III.    Wesentliche Änderungen der InsO
Darüber hinaus enthält das SanInsFoG teils überaus relevante Änderungen des Insolvenzrechts, die – wie auch das StaRUG – ebenfalls bereits am 01.01.2021 in Kraft treten sollen:

  • Änderung des § 2 InsO zur Zuständigkeit der Insolvenzgerichte in Unternehmensinsolvenzen und hierdurch zwingende Konzentration der Insolvenzgerichte mindestens für einen Landgerichtsbezirk;
  • Regelung der Online-Gläubigerversammlung durch klarstellenden Verweis auf § 128a ZPO in § 4 InsO;
  • Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Einrichtung eines elektronischen Gläubigerinformationssystems für mittelgroße und große Unternehmensinsolvenzen;9
  • Verpflichtung der Insolvenzgerichte zur Führung eines Vorgesprächs im Fall mittlerer und größerer Unternehmen noch vor Einreichung des eigentlichen Insolvenzantrags;10
  • Änderung des Maximal-Zeitraums für die Erfüllung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO für den Fall der Überschuldung (sechs Wochen);
  • Neu-Regelung der Haftung für Zahlungen bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung in § 15b InsO-E als einheitliche rechtsformunabhängige Haftung und parallel hierzu Aufhebung der bisherigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen, z. B. in § 64 GmbHG;
  • Festlegung von Prognosezeiträumen für die Insolvenzgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit (24 Monate) und der Überschuldung (12 Monate);
  • verschiedene Änderungen im Bereich des Insolvenzplans, z. B. Möglichkeit, in Sicherungsrechte gegen Tochterunternehmen einzugreifen und Möglichkeit, dass Planzahlungen durch den Insolvenzverwalter nach Verfahrensaufhebung erfolgen;
  • tiefgreifende Neuregelungen im Bereich der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO.

IV.    Folgeänderungen im Gesellschaftsrecht infolge der Neuregelung der Geschäftsleiterhaftung bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
Zudem sieht das SanInsFoG eine Vielzahl an Folgeänderungen in anderen Gesetzen – angefangen vom EGInsO über die ZPO bis hin zu GmbHG, AktG, GenG und HGB – vor. Wesentliche Änderung im Gesellschaftsrecht ist der Wegfall der bislang in den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen angesiedelten Regelungen zur Haftung bei Zahlungen im Stadium bereits eingetretener Insolvenzreife. Im Einzelnen werden nach dem aktuellen Gesetzesentwurf folgende Regelungen aufgehoben:

    § 64 GmbHG

    §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG

    § 99 GenG

    § 130a HGB

Mit der Aufhebung der vorgenannten Normen ist gleichwohl kein Wegfall der entsprechenden Haftung von Geschäftsleitern verbunden, da künftig § 15b InsO rechtsformunabhängig eine Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife regeln wird. Zudem wird das Haftungsrisiko während bestehender drohender Zahlungsunfähigkeit durch die Regelungen der §§ 2, 3 StaRUG im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage sogar erweitert.

V.    Neuregelung der Insolvenzverwaltervergütung
Letzter wesentlicher Regelungskomplex des SanInsFoG ist eine Änderung verschiedener Vorschriften der Insolvenzrechtlichen Vergütungs-Verordnung (InsVV), insbesondere eine Anhebung der seit dem Jahr 1999 unveränderten Regelsätze der Insolvenzverwaltervergütung sowie die (Neu-) Regelung der bislang nicht ausdrücklich normierten Vergütung des vorläufigen Sachwalters in Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren.

VI.    Fazit
Gerade in Zeiten der durch die Folgen der COVID-19-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise dürften die Änderungen im Restrukturierungs- und Insolvenzrecht durch das SanInsFoG weit überwiegend als „großer Wurf“ und als gelungen angesehen werden, wenngleich der Zeitdruck des Gesetzesvorhabens eine eigentlich nötige tiefgreifende Auseinandersetzung mit einzelnen Regelungen nahezu unmöglich macht. Bereits jetzt dürfte jedoch feststehen, dass die (geänderten) Regelungen in den kommenden Jahren sowohl die Praxis der beratenden Anwälte und der sonst in der Restrukturierungsberatung tätigen Berufsträger und Berater, als auch die Tätigkeit der beteiligten Gerichte prägen werden. Gerade im Bereich des StaRUG wird dabei sehr kurzfristig die Entwicklung einer neuen „best practice“ zwingend nötig sein.


Literaturverzeichnis

1
Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren.
2 BR-Drucks. 619/20.
3 § 36 StaRUG-E.
4 §§ 49 f. StaRUG-E.
5 §§ 47 f. StaRUG-E.
6 §§ 56-66 StaRUG-E.
7 §§ 51-55 StaRUG-E.
8 §§ 80-90 StaRUG-E.
9 § 5 Abs. 5 InsO-E.
10 § 10a InsO-E.