BMJV modernisiert anwaltliches Gesellschaftsrecht

TEXT: RAin Claudia Krafft, LL.M., stv. Geschäftsführerin RAK München

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe

Am 29.10.2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Referentenentwurf zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vorgelegt. Hiermit soll das Recht der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften umfassend modernisiert und an die Entwicklungen und Erfordernisse der anwaltlichen Tätigkeit angepasst werden. Nachdem das BMJV bereits im Sommer 2019 das Eckpunktepapier für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften veröffentlicht hatte, war der nunmehr vorgelegte Referentenentwurf mit Spannung erwartet worden.

Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer München begrüßt das Vorhaben des BMJV, die Möglichkeiten für Rechtsanwälte, sich mit anderen zur gemeinsamen Berufsausübung zu verbinden, an zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung und den modernen Arbeitsmarkt anzupassen. In einigen Punkten geht der Entwurf des BMJV jedoch zu weit.

Welche Neuerungen sieht der Referentenentwurf vor?

Öffnung der Rechtsformmöglichkeiten für Berufsausübungsgesellschaften

Als zulässige Rechtsform für Berufsausübungsgesellschaften sollen künftig alle nationalen und europäischen Gesellschaftsformen in Betracht kommen. Möglich wird damit auch die Gründung einer Handelsgesellschaft. Diese Organisationsform ist der Anwaltschaft aktuell verwehrt, da diese nach den Vorschriften des HGB den Betrieb eines Handelsgewerbes voraussetzt, was nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Ausübung eines Freien Berufs wie dem des Rechtsanwalts nicht in Betracht kommt (siehe BGH, Urteil vom 18.07.2011, Az. AnwZ (Brfg) 18/10).

Erweiterung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe

Der Kreis der sozietätsfähigen Berufe soll auf alle Angehörigen eines Freien Berufes i.S.d. § 1 Abs. 2 PartGG erweitert werden. Die Erweiterung der Zulässigkeit einer interprofessionellen Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.01.2016 zur Zulässigkeit einer interprofessionellen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern überfällig. Das gesetzgeberische Vorhaben, den Kreis der sozietätsfähigen Berufe auf alle Freien Berufe i.S.d. § 1 Abs. 2 PartGG erscheint jedoch zu weitgehend und sollte auf solche Berufe begrenzt werden, die ähnliche Berufspflichten und ein ähnliches Schutzniveau haben.

Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft

Der Referentenentwurf sieht vor, dass Berufsausübungsgesellschaften grundsätzlich der Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer bedürfen. Eine Ausnahme soll dann bestehen, wenn die Berufsausübungsgesellschaft eine Personengesellschaft ohne Haftungsbeschränkung (GbR) ist und alle Gesellschafter/Geschäftsführer entweder Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer oder Mitglieder der Patentanwaltskammer sind bzw. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. In diesem Fall besteht aber die Möglichkeit der freiwilligen Zulassung.

Berufsausübungsgesellschaft als Träger von Berufspflichten

Die Berufsausübungsgesellschaft soll künftig Träger von Berufspflichten sein. Sie hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass berufsrechtliche Verstöße frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Sind andere Personen als Rechtsanwälte an der Berufsausübungsgesellschaft beteiligt, ist durch geeignete gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sicherzustellen, dass die Berufsausübungsgesellschaft für die Erfüllung der Berufspflichten sorgen kann. 

Rechtsdienstleistungsbefugnis der Berufsausübungsgesellschaft

Berufsausübungsgesellschaften sollen befugt sein, Rechtsdienstleistungen i.S.v. § 2 RDG zu erbringen. Sie handeln durch ihre Gesellschafter und Vertreter, in deren Person die für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen.

Aufnahme der Berufsausübungsgesellschaften in die Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammer und das Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer

Der Referentenentwurf sieht vor, dass zukünftig alle Berufsausübungsgesellschaften in die von den Rechtsanwaltskammern geführten elektronischen Verzeichnisse aufgenommen werden soll. Hiermit möchte der Gesetzgeber gewährleisten, dass für Rechtssuchende transparent werden soll, wer Gesellschafterin oder Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft ist und welchen Berufsgruppen diese angehören. Zudem sollen die Verzeichnisse Angaben zu den Mitgliedern des Geschäftsführungs- und Vertretungsorgans enthalten. Inwieweit auf Verbraucherseite ein Bedürfnis besteht, die Gesellschafterdaten jeder Berufsausübungsgesellschaft jederzeit einsehen zu können, erscheint fraglich, zumal die Gesellschaften bereits im Handelsregister und Partnerschaftsregister und mit der beabsichtigten Einführung des Gesellschaftsregisters auch dort geführt werden und Informationen auch dort abrufbar sind.

Der Referentenentwurf beschränkt sich nicht darauf, dass nur die zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften in die Verzeichnisse aufgenommen werden. Er sieht vielmehr vor, dass auch solche Gesellschaften aufgenommen werden, die „lediglich“ bei der Rechtsanwaltskammer registriert sind.

Optionales beA für Berufsausübungsgesellschaften

Der Referentenentwurf sieht vor, dass auf Antrag für jede im Gesamtverzeichnis der BRAK eingetragene Berufsausübungsgesellschaft ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach eingerichtet wird. Die Einrichtung eines „Kanzlei-beA“ wird seit vielen Jahren gefordert. Ob die gerade von der Justiz gewünschte Rechtssicherheit und Erleichterung mit dem optionalen Kanzleipostfach erreicht werden kann – vor Versand einer beA-Nachricht muss recherchiert werden, ob eine Berufsausübungsgesellschaft über ein beA verfügt oder ob dieses noch besteht – erscheint fraglich. Die Rechtsanwaltskammer München hat daher angeregt, für jede zugelassene Berufsausübungsgesellschaft verpflichtend ein beA einzurichten. 

Sowohl die Rechtsanwaltskammer München als auch die Bundesrechtsanwaltskammer haben Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf abgegeben: