BGH, Beschluss vom 28.04.2020, Az. X ZR/60/19
Der BGH hatte am 28.04.2020 über die Frage zu entscheiden, welche Pflichten einen Patentanwalt treffen, wenn die rechtzeitig eingeleitete Telefaxübertragung einer Berufungsbegründungsschrift an technisch bedingten Übertragungsproblemen scheitert. Es wurde klargestellt, dass der Patentanwalt insbesondere nicht verpflichtet ist, zur Fristwahrung auf eine Übertragung durch das beA eines Kanzleikollegen zu wechseln. Der BGH nutzte gleichzeitig die Gelegenheit, Zweifel zu äußern, ob sich eine dahingehende Verpflichtung für Rechtsanwälte ergeben kann.
In der vorgenannten Entscheidung verdeutlichte der BGH nochmals den Grundsatz, wonach Verfahrensbeteiligte die vom Gesetz vorgesehenen Fristen voll ausschöpfen dürfen. Mit der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax hatte der Absender nach Auffassung des Senats das seinerseits Erforderliche getan (der Faxversand wurde im gegebenen Fall um 22:40 Uhr gestartet; Der BGH fordert für Übersendungen am Tag des Fristablaufs grundsätzlich eine rechtzeitige Übertragung mit einer vorlaufenden Zeitspanne von ca. 20 Min, die eventuelle zeitliche Übertragungsverzögerungen berücksichtigt, vgl. BGH, Beschluss vom 19.12.2017, XI ZB 14/17). Im Falle einer Übermittlungsstörung muss der Absender versuchen, Übermittlungsfehler zu beheben und noch bis zum Fristablauf weitere Übermittlungsversuche starten (vgl. BGH, Beschluss vom 11.01.2011, VIII ZB 44/10). Da der Patentanwalt seiner dahingehenden Verpflichtung im vorliegenden Fall nachgekommen war, gab der BGH dem Wiedereinsetzungsantrag mangels Verschulden statt. Es wurde betont, dass der Patentanwalt gerade nicht verpflichtet sei, von der Faxübertragung auf das beA seines Kollegen zu wechseln, um die Frist zu wahren.
Mit Blick auf die Rechtsanwälte (die, anders als die Patentanwälte, die über kein beA verfügen, theoretisch stets auf den Übermittlungsweg dieses Mediums zurückgreifen könnten) hat der BGH in diesem Zusammenhang es als „zweifelhaft“ erklärt, ob ein Rechtsanwalt, der sich für den Versand per Telefax entschieden hat, bei technischen Problemen kurz vor Fristablauf einen Übermittlungsversuch über das besondere elektronische Anwaltspostfach unternehmen muss. Denn angesichts der vielen Störungen des Systems (die Richter bezogen sich hier auf die zwölf Störungsmeldungen aus dem März 2020) bestünden Zweifel, ob das System bei Sendungen kurz vor Fristablauf eine höhere Sicherheit böte.
Damit stellte sich das oberste Gericht gegen die Entscheidung des OLG Dresden (NJW 2019, 3312), das für zeitkritische Sendungen von fristgebundenen Schriftsätzen den rechtzeitigen alternativen Einsatz des beA als verpflichtend angesehen hatte.