Auch in unserer modernen Welt kann die Verwendung von Umlauten das ein oder andere IT-System noch aus der Bahn werfen. Für den Bereich des ERV hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung im Hinblick auf die Nutzung von Umlauten in Dateinamen großzügig gezeigt.
So hat der BGH kürzlich in einer Patentnichtigkeitssache (Beschl. v. 14.05.2020 – X ZR 119/18) entschieden, dass ein elektronisches Dokument wirksam beim BGH eingegangen ist, wenn es auf dem für diesen eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) abgespeichert worden ist. Sollten sich nach dem Eingang des Dokuments auf dem Intermediär Probleme beim Herunterladen in der Geschäftsstelle des BGH ergeben – etwa durch Umlaute im Dateinamen – so sei dies dem Absender nicht zuzurechnen. Zudem verweist der BGH hinsichtlich der Erfordernisse, die an ein elektronisches Dokument zu stellen sind, damit es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist,
u. a. auf § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO und die ERVV.
Die Beklagte wandte sich per Berufung gegen eine Entscheidung des Patentgerichts, das ein Streitpatent vollumfänglich für nichtig erklärt hatte. Die Einreichung der Berufung erfolgte über beA, woraufhin der Einlegungsschriftsatz beim Intermediär-Server des BGH gespeichert wurde. Als Intermediär-Server des BGH fungiert der Empfänger-Intermediär der IT Baden-Württemberg. Dieser Intermediär-Server des BGH wird also durch den BGH als die für den Empfang bestimmte Einrichtung nach § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO gesehen. Der Prozessbevollmächtigte der Berufungsklägerin hat daraufhin auch eine automatisiert erzeugte Nachricht über die erfolgreiche Übermittlung erhalten. Leider wurde die Berufung dann aber nicht auf den Rechner der Geschäftsstelle des BGH, der für die Abholung von Nachrichten vom Intermediär eingesetzt wird, heruntergeladen, da der Dateiname einen Umlaut enthielt. Stattdessen erhielt die Geschäftsstelle nur eine Fehlermeldung, die keinem Absender oder Verfahren zuzuordnen war.
Der BGH führt aus, dass hier auf § 130a Abs. 2 ZPO abzustellen ist. Danach muss ein eingereichtes Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Da in § 2 der Verordnung über den ERV beim BGH und beim Bundespatentgericht sowie in der ERVV kein Verbot von Umlauten enthalten ist, erfüllte die Berufungseinlegung per beA mit einem Umlaut im Dateinamen die gesetzlichen Anforderungen. Ferner wäre der Beklagten auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn sie hätte nicht damit rechnen müssen, dass ein Dokument durch einen internen Rechner des Gerichts nicht vom Intermediär abgeholt werden kann, wenn es Umlaute enthält, obwohl der Versand über beA möglich ist.
Der BFH hatte eine ähnliche Konstellation etwas anders beurteilt (Beschl. v. 05.06.2019 – IX B 121/18), wobei sich die Ausgangslage von dem vorliegenden Fall dadurch unterschied, dass die Nachricht nicht an einen Intermediär-Server des Gerichts, sondern an den zentralen Intermediär-Server des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) zugestellt wurde. Von dort wurde die Nachricht nicht an den BFH weitergeleitet, sondern in ein Verzeichnis für korrupte Nachrichten verschoben, ohne dass der BFH über diesen Vorgang informiert wurde. Aber auch in diesem Fall gewährte der BFH die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Entscheidung unterstreicht einmal mehr die Verquickung von technischen und rechtlichen Begebenheiten im ERV. Zudem geht daraus hervor, dass die Teilnehmer des ERV zwar die IT-technischen Einzelheiten kennen und beachten müssen, das Stellen von überspannten Anforderungen an die Nutzer des ERV aber abzulehnen ist. Um ganz sicher zu gehen, sollten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei der beA-Nutzung vorerst noch auf die Verwendung von Umlauten in Dateinamen verzichten.
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